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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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Frankfurter »Pflasterstrand« die Editorial-Mitteilung, der soeben 70 gewordene Reich-Ranicki sei »unter den drei großen Streithähnen dieser Stadt (Habermas, Henscheid und er selbst) der Primitivste und daher der Beste«.
    Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Sondern genau deshalb mußte ich die beiden konkurrierenden, den primitiven und den mehr der filigranen Intrigantik als praktischer Theorie des kommunikativen Handelns verpflichteten, zu dieser Zeit in einem fort verprügeln. Einmal im Leben wollte ich die Nr. 1, ja unangefochten sein.
    *
    Als »Lieblingsautor der Deutschen« ward ich zuzeiten, um 1985 herum, zuweilen, z.B. vom »Pflasterstrand«, apostrophiert. Oder, ein Stückchen spezifizierter, z.B. von der FAZ , als »Lieblingsautor der Intellektuellen«. Auch dies ein nicht durchaus preisend gemeinter, sondern spürbar sogar etwas anrüchiger, vielleicht nicht ohne Ranküne verliehener Titel. Und er stimmte vor allem so gut wie nie, war ein vielfaches Mißverständnis: Weder tauchte mein Name bei irgendwelchen ZDF -Repräsentativumfragen über eben die deutschen Lieblingsautoren u. dgl. je und irgend auf, nicht einmal auf den hinteren Rängen. Ich war da nie dabei, auch nie waren es irgendwelche nahestehenden Kollegen – noch wüßte ich andererseits bis heute irgendwelche Akademien und Universitätsdiener, die vor mir Intellektuellem anstandslos niedergekniet wären.
    Es gehört zu den großen Belehrungen des Autoren-, womöglich allen Künstlerlebens, daß es keine einzelne und einzige Öffentlichkeit gibt: sondern zwei, mehrere, womöglich ganz viele. Das ist Anhängern, Anteilnehmern, Literaturfreunden, manchmal sogar vermeintlich versierten Kollegen und also Leidgenosssen nicht ohne Mühe klarzumachen und einzutrichtern. Es gibt unter den Bücherfreunden und -käufern die Belletristikkenner, die stets gefälligen Nobelpreisgehorcher, die willigen Großkritikadepten, die TV -Literaturnachhechler, zuzeiten gab es die berüchtigten Erich Fried- und die bescheuerten Allert-Wybranietz-Massensolisten, es gibt die verbliebenen und ganz und gar verderbten Rest-Rinseristinnen, die Dodereristen und sogar noch immer die unverdrossenen Thomas-Mann-Einsaugenärrchen; ich kann euch, die ihr hier herumsitzt und aus Gründen oder grundlos ausgerechnet dieses Buch da lest, nur sagen: Als Autor hat man’s, nicht zuletzt wegen dieser vielen Öffentlichkeiten unter einem täuschenden Gruppendach, nicht leicht. Sondern schwer. Sehrsehr schwer. Und alles ist drum sehr betrüblich und verdrießlich. Ich aber sage euch ferner und fernerhin: Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen (Matth. 3,1–12) – –
    Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gewahr werden, daß auch das oben aus tiefster Brust und Brunst und Berufslebenskenntnis Gesagte und Stoßgeseufzte gar nicht wahr ist. Sondern es ist alles noch viel viel schauerlicher. Und lasterhafter. Und bübischer. Und eh aber schon ganzwurscht.
    *
    »Minderwertige Charaktere«, um mit meinem wundersamen Großvater Alois Ruhland zu reden, unter Frauen habe ich in meinem gesamten mir soweit bekannten Leben kaum kennengelernt, von der Großmutter über die Mutter und die Verlobte bis hin zur (nicht kongruenten) Ehefrau oder auch genannt Gattin: Allesamt wohlgeratenes, seltsam hochwertiges Personal. Ertragreicher sieht’s schon wieder bei den mir ferner stehenden Frauenzimmern oder »Frauenspersonen« (Hans Wieser, Velburg) aus – noch entschieden schlimmere und bösartigere und grauenhaftere fanden und finden sich im Bereich der von mir zumeist nur passiv berührten Filmschnepfen und Literaturbetriebshennen – auch den ihrerseits historisch mythisierten und halbreal-halbfiktiven. Unangefochten führend unter den Minderwertigen hier seit spätestens meiner genaueren Kenntnisnahme im Goethejahr 1982: jene Bettine von Arnim, geb. Brentano, angesichts und angeleses derer lang vor mir schon ein von ihr im Alter von knapp 60 Jahren gnadenlos in die Enge getriebener Goethe sich kaum zu erwehren wußte; sich schützen vor dieser »leidigen Bremse«, deren abgrundtiefe Falschheit und Verlogenheit im Verein mit ihrer hemmungsfreien Ranwanzerei dann freilich erst kraft des postumen »Goethes Briefwechsel mit einem Kinde« von 1832 diesen mortalitätsbedingt abwehrschwach Gewordenen nochmals zu töten trachtete; was ihr trefflich auch gelang.
    Gern lese ich deshalb noch heute, im traurigen Fichtelgebirger November 2010, in den »Tagesblättern«

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