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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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zugunsten eines sanfteren, getrost aufheiternden Gemütswerts und damit der allzu norddeutsch-nüchternen Welt eine gewisse Milderung, ja Milde untermischen, das private sowohl als das öffentliche geistigseelische Leben mehr als andere Weltgegenden (Niedersachsen, Hessen, Texas, Brandenburg!) annehmlicher und zugleich auch noch konstruktiv färben, ja prägen; und so den Süddeutschen einen uneinholbaren Vorteil verschaffen, der diesem Land und seinem Volke –
    Kurz, weitere Beispiele für die langsameren unter unseren Lesern wären: »Zetterl«, »Uhrerl«, im Frauenbereich die nuancenhaft unterschiedenen »Botscherl«, »Trutscherl«, »Pritscherl«, »Flietscherl«, »Wammerl«, sodann »Singerl« für etwas einfältige Menschen beiderlei Geschlechts, sowie mehr bei den ein bißchen untergeordnet-prekariatsnahen älteren Männern die semantisch fein abgestuften, kaum übersetzbaren und nämlich deshalb sogar mit einem Dachakzent zu schreibenden »Heîgl«, »Leîdl«, »Heîdlbrummer«, »Hoîchtl« und »Hoîdoîdl« – und manche der nach Süddeutschland Gezogenen scheinen nach Überwindung der bitteren Flucht und des Vertriebenenschicksals sogar dankbar zu spüren, daß »Dreeg« dem üblichen »Dreck« so wie das mancherorts zu hörende »schleecht« dem normativen »schlecht«, dieses transzendierend, überlegen ist, weil einem damit genauer so richtig schön bzw. schêi schleeecht zu werden vermag.
    Nördliche Verkleinerungsformen wie das gräusliche »ein Nickerchen machen« oder gar das bambergisch detmoldbeheimatete »liebe Zügelchen« (Hans Wollschläger) schauen dagegen überaus schal, ja scheeel aus.
    *
    Titurel, Parzival und Lohengrin sind für Karl Immermann »die ird’sche Trias«. Für Friedrich Daumer, den Romancier, Lyriker und Übersetzer, sind es, wie schon gerügt, Goethe, Rachel und ausgerechnet Bettine von Arnim, geb. Brentano. Für mich als Kind waren die drei größten mir soweit bekannten Menschen Edi Schaffer (1.  FC Nürnberg), Rudolf Meßmann ( FC Amberg), und mein im Rheinland lebender Onkel Josef. Er war es, der den 11jährigen in den Sommerferien die Technik der Holzeinlege- oder Furnierkunst lehrte – und hier im besonderen die Herstellung von Marienportraits und -brustbildern; war also im Verein mit Raffael und Dürer der erste in einer Reihe von immerwährenden Marienkontinuitäten von meiner Mutter Maria bis hin zu der »Maria Schnee«-Novelle von 1988. Nur des Regensburger Bischofs Graber und gar Papst Woitylas beidseits wahnhafte Marienverehrung: die vermochte ich natürlich nicht mitzumachen, die war in ihrer damals längst waltenden Gottvergessenheit schon gar zu verlogen und automatenhaft oder wahlweise eben kindisch oder gar Verhöhnung der Gottesmutter, Perversion ihrer lieblich zarten Wangen und ihrer angedeutet wohlgeformten, von mir einst mutig auch mit dem Bleistift gezeichneten Brüste und – – (Fragment)
    *
    »Das Glück« kam zwar als »leichte Dirne« schon in meinem Kinder-Poesiealbum vor, nämlich als ein Achtzeiler m.E. von Hebbel; aber manchmal ist es auch ein Schwergewicht. Was man leicht vergißt.
    So das von mir bis gestern fast vergessene zweitgrößte Glück meines Lebens. Nämlich das für 1988 ordentlich beantragte Arbeitsstipendium (eines einschlägigen Darmstädter Literaturvereins e.V.) nicht gewährt bekommen zu haben, übrigens aus durchsichtig undurchsichtigen Gründen. Mit ihm nämlich hätte ich so heftig wie pflichtschuldig (anders als andere, die vergessen nämlich mit dem Geld in der Tasche sofort) die bereits fest ins Auge gefaßte Schwerarbeit an einem Dickroman »Die Unverblühten« initiiert und weitergetrieben. Einem Brocken, den ich nun plausibel zurückstellte, um ihn irgendwann aufzugeben. Und um noch in der gleichen Woche die eigentlich erst für nachher, so ab 1989, vorgesehene Novelle »Maria Schnee« zu beginnen – und vier Monate später auch schon treulich in Druck zu geben.
    »Die Unverblühten« wären, trotz eines schönen Introduktionskapitels (abgedruckt u.a. im Werkeband »Romane«), anders als die vorgezogene Novelle, aller Vermutbarkeit nach so etwas wie eine Totgeburt geworden bzw. geblieben. Eine allzu nabokov-thomasmannische Metaliteratur auf der Folie mancher (wie schon die »Vollidioten«) Dostojewski-Romane. Allzu kunstvoll, vielleicht gekünstelt, unlesbar – nebenher bei zwei Jahren Maloche ein ökonomischer Mißerfolg. Und in der Folge: wäre »Maria Schnee« dann wahrscheinlich ungeschrieben

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