Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
Toten verunehren, indem ich hier zitiere. Aber merke: Es ist keine Torheit zu unglaublich, als daß sie nicht doch noch das Fleisch des geschriebenen und meist sogar gedruckten Worts anzunehmen vermöchte.
Und: Unsere führenden Avantgardeliteraturprofessoren sind aber auch schon wirklich welche.
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Der Fall Böll vs. Henscheid war gerade beendet, da schloß sich im März 1993 – der »Spiegel« machte belustigt oder auch beeindruckt auf die nicht häufige Koinzidenz aufmerksam – noch in der gleichen Woche der ähnliche, aber nicht kongruente Rechtsstreit mit der Interessenpartei Gertrud Höhler an. Höhler, eine ehemalige Germanistikprofessorin und Unternehmensberaterin und vielfache Ministerkandidatin und nunmehrige Faktota für jede denkbare allg. Betriebsnudeligkeit und Nichtsnutzigkeit, war mir zuvor schon mehrfach aufgefallen – als alles in allem eine, lang vor der mental verwandten späteren Spitzen-Bischöfin Käßmann, unserer quicksten Frauengestalten der 80er und nun auch der beginnenden 90er Jahre – eine der schwersterträglichsten. Das schlug sich im Märzheft der Zeitschrift »konkret« in einem zweiseitigen Artikel nieder: »Sie muß verrückt sein«, garniert mit zwei damals sehr häufig zu sehenden Fotos einer Reklameserie zugunsten von American Express Card, auf denen Prof. Höhler einmal über die Maßen walkürenhaft auf einem schwarzen Gaule über eine Graslandschaft hupft – auf dem andern Foto (sie bekam als einziger Gast der Serie zwei Motive, alle anderen von Lothar Matthäus bis Wim Wenders nur eins) sitzt sie gleichsam flankierend und in ähnlicher Reiterinnentracht auf einer Art Schreibtisch inmitten einer herrlich antikischen Herrschaftsbibliothek; zu ihren Füßen auf dem Rücken und dem Teppich aber lagert ihr leibhaftiger Sohn – auch wenn damals viel Wesens und Geheimnis um diesen besonders erlesenen und aber eventuell nicht so ganz ehelichen Sohn gemacht wurde, es ist ihr Sohn, die Bildunterschrift beglaubigt es: »Gertrud Höhler mit Sohn Abel. American-Express-Mitglied seit 1986.«
Der Artikel »Sie muß verrückt sein« im Verein mit den beiden grauslich sprechenden, nämlich zutiefst und absichtsvoll anzüglichen Fotos fand nicht das Einverständnis einer vom Text eventuell insgeheim sogar amüsierten Frau Prof. G. Höhler. Sondern sie klagte, forderte von »konkret« eine (in solchen Fällen unumgängliche) »Unterlassungserklärung« und wollte vor allem, wie immer, Geld. Im ersten Durchgang sogar eine sechsstellige Summe.
Und das Ganze zog dann wieder über Monate hin einen für Nichtfachleute schwer überschaubaren Rechtsstreit nach sich. Die Rechtsanwälte von Frau Prof. Gertr. Höhler erheischten Schmerzensgeld, obwohl Höhler mit Foto, Pferd, Sohn und vor allem Foto-Honorar doch nur Freude gehabt haben dürfte. Forderten 100000 Mark zuerst von »konkret«, als sich das als aussichtslos erwies vom offenbar solventeren Autor, von mir. Als unerträglich schmerzverursachend wurden bei dem z.T. pseudowissenschaftlich freudianisch auftrumpfenden satirischen Text u.a. empfunden die Passagen »ihren Herrn Sohn reiten und dann umgekehrt«; »ja eigentlich das Reiten/Rammeln präferiere«; »daß hohe Frauen wie sie keinem Gatten sich zu beugen pflegen«; »auf dem sie, G. Höhler, abends Abel reitet«; »Abel flachlegen und bürsteln«; »zuerst das Pferd geritten und dann den Sohn«; »die aufgescheuchte Schwerstverrückte«; »vollkommen gaga«.
Auch wenn Höhlers juristische Mitkämpfer sich erst einmal auf den alten Rechtsanwaltstrick kaprizierten, einen ganz offenbar synthetisch-leitmotivisch-sinfonisch angelegten Kunsttext in seine plan und platt beleidigenden und gleichsam ihrerseits gagaverdächtigen Einzelteile zu zerlegen und vorzuführen (ob sie das entsprechend z.B. auch etwa bei gewissen harmonischen Härten der »Eroica« machen würden?) –
– gleichwohl wies das Landgericht Hamburg das Höhlersche Vergeldungsansinnen mit Urteil vom 25.1.1994 erst einmal zurück. In der Begründung der Löblichen hieß es, man könne beim unvoreingenommenen Betrachten der den Artikel auslösenden Fotos ja zu gar keinen anderen Eindrücken und Befunden kommen als der Autor: »Der beanstandete Artikel knüpft nämlich gerade an das Foto an, das die Antragstellerin und ihren Sohn zeigt und mit dem sie American Express hat werben lassen, und dieses Foto läßt nach Pose und Ausdruck der Abgebildeten durchaus Spekulationen über eine ungewöhnliche Beziehung
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