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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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so doch den im Prinzip aus der Gemeinschaft der Geistigen Auszutreibenden anschwärzen:
    Prof. Dr. Manfred Pohlen aus Marburg an der Lahn hatte mich und meine trüben Absichten im Sinne meiner nationalsozialistischen Ressentiments erkannt; und den FAZ -Herausgeber Fest dazu, dessen (vermutlich etwas amüsiert-schräge) Erstreplik auch noch »jede Form vermissen läßt, die ein kultivierter und intellektueller Umgang erfordert«. Zumal Fest auch »entgangen sein (muß), daß die Stellungnahme im Fall Henscheid von zweien unterschrieben worden ist, von denen die eine« – der? die? hier stand Pohlen nun wirklich vor einem sprachlich unlösbaren Problem – »‹zufällig‹ eine Frau ist«. Das konnte der Flegel Fest dem Erstbrief nun aber wirklich nicht entnehmen, es sei ihm postmortal fürs Gottesgericht gleichwohl doch noch ins Herausgeberlogbuch geschrieben. Besonders insofern der Marburger Vollblutprofessor spätestens mit Brief vom 20.1.1993 auch durchschaut hat, was er aus unverbrüchlicher Kultiviertheit im Fall Fest gleichwohl bloß als Verdacht zum salbungsvollen, allerdings auch erbitterten Ausdruck bringt: »Ihre Art der Erledigung dieser Angelegenheit könnte man auch als Komplizenschaft mit dem von Herrn Henscheid repräsentierten Ungeist einordnen.«
    Die für den heutigen und damaligen Leser lang schon über der »Angelegenheit« schwelende und schwärende Frage, ob das Wörterbuch des Ungeists/Unmenschen bzw. die mit ihm überwundene Nazizeit als gereinigte Mentalität heute so treffsicher bei den garantiert Falschen angekommen ist wie ganz bestimmt deren heroisches Eintreten für einen nazigesäuberten Geist wider die abtrünnigen und noch nicht ausreichend entlausten Fests und Seibts (der Redakteur des Artikels) und Henscheids die Neuordnung der Welt zusammenhält – die Frage auch schon gleich wieder beiseite: Die Sache ›Spaß mit Suhrkamp‹/ FAZ erzielte auch sonst viele Resonanz, gleich zu Beginn einen komplett verständnis- und auch tatsächlich ahnungslosen Leserbrief des seinerzeit recht berühmten Göttinger Prof. Bassam Tibi, der u.a. darauf insistierte, daß er »bei meinen sechs bei Suhrkamp erschienenen Büchern« stets die Freiheit des Buchtitels gehabt hatte. Speziell die Angelegenheit Pohlen versandete damit, daß seine obschon hochinteressante Ersteinlassung wie die spätere Post in der FAZ keine Berücksichtigung für die Ewigkeit fand; obgleich Pohlen inzwischen mit der genannten Trias Habermas, Reich-Ranicki und ausgerechnet Unseld gedroht hatte, um mich mit deren volkstribunaler Amtshilfe dann vielleicht doch zur Strecke zu bringen und mich noch auf der Stelle hinzurichten.
    Der professionell mit Schafsgeduld gerüstete, inzwischen aber leicht entnervte Fest wollte wohl irgendwann mit Pohlen nicht länger Briefe tauschen und reichte die Sache als Korrespondenz an mich und Pohlen zurück, diesem mit dem Vermerk, er vermute, daß auch Herr Henscheid sich wohl kaum zur Weiterführung des angestrengten Disputs »verstehen« könne – richtig, spätestens da wollte auch ich mich nicht dazu verstehen und mit den immer schleierhafteren Finessen der ganzen ganz und gar saudummen Angelegenheit weiter nichts mehr zu tun haben. L’inferno non trionfi!
    *
    Doch wurde ich ein knappes Jahr später, im Frühsommer 1993, sauber von einer ziemlich verwandten eingeholt und neu belastet. Deren Anfang (gleichfalls ein FAZ -Essay) und Ende (ein Brief von mir an J. Habermas auf dessen FAZ -Leserbrief hin) man in zwei Kapiteln meiner »Kulturgeschichte der Mißverständnisse« von 1997 nachlesen und im Detail studieren mag:
    Diesmal ging es im Erstdurchgang um die Wiederbegegnung mit einem längst und allerdings grundlos kanonisierten Buch; um die möglichst kritische und wache und genaue Wiederlektüre von Alexander und Margarete Mitscherlichs nach 1967 sehr erfolgreichem und vermeintlich entsprechend bekanntem und gelesenem sozialpsychologischen Gemeinschaftswerk über die »Unfähigkeit zu trauern«. Ein Buch, das aber nach meinem allmählich gereiften Eindruck (und dem meiner mitdenkenden Frau) so gut wie nie ordentlich gelesen worden war und dessen Erfolg sich aber vornehmlich seinem quasi ab ovo geläufig gewordenen Titel verdankte – einem, so mein immer eindrücklicherer Eindruck, vom Verlag aufgeschwätzten oder gar auferlegten. Denn im Buch findet er sich und seinen vermeintlich allen sofort einleuchtenden Gehalt – daß die Deutschen zum Trauern nach der erledigten Hitlerei zu

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