Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
feige oder zu faul waren – eigentlich nicht oder nur recht zweigleisig verifiziert und entfaltet. Will sagen, es werden dort von den beiden Autoren – worüber sich beide aber auch vielleicht nicht recht einig waren – mindestens zwei Argumentationslinien angeboten, solche, die sich eigentlich ausschließen: daß die Deutschen sich vor der Aufarbeitung drückten, weil die zu beschwerlich war (also auch in diesem Fall weniger »Unfähigkeit« als Unwille) – und die zweite, mehr obskure, der aber wohl Alexander Mitscherlich damals anhing: daß diese Deutschen um die volkspsychologisch unverzichtbare Trauer über den verstorbenen Führer Hitler und somit gewissermaßen um seine Bewältigung betrogen worden waren; weil man um den Verbrecher halt nicht trauern durfte.
So meine, hier nochmals geraffte, Deutung und Darstellung in der FAZ -Wochenendbeilage vom 12.6.1993 – diese und die ferneren harmlos unsinnigen oder auch schon verboten ruchlosen Spätfolgen Hitlers als schieres Schindluder referierte ich ziemlich gründlich, ereiferte mich über sie und beschmunzelte das lesermassenpsychologisch allerdings hochsymptomatische, ja singuläre Paradox eines praktisch dauerzitierten Buchtitels, dessen Sinn und Gehalt aber nie erspürt, diese zumindest stante pede wieder vergessen wurden. Vielleicht ja auch von den beiden uneinigen Autoren, deren Ruhm damit gleichwohl ins Mythische hochwuchs, ja wuchtete.
Ich schmunzelte und wunderte und grämte mich vielleicht; und hätte aber da eigentlich längst ahnen können, wie mich mit der Veröffentlichung im Geistesedelblatt (dessen Redakteure und Herausgeber aber viel weniger als manche Leser dem sich als Geistesadel mißdeutenden Dünkel verfallen sind) abermals schwärzeste Gewitterwolken über mir zusammenballten, wie mich schon bald wieder wochenlanges Protestgewürge heimholen sollte.
Angeführt vom offenbar geradezu darauf lauernden J. Habermas. Der mir »Wirrkopf« im nachgerade fiebrigen FAZ -Leserbrief unverzüglich »bösartige Tiraden« und zudem einen »unglücklichen Hang zur Satire« nachsagte – davon hatte der Großdenker offenbar matt läuten hören, daß das mein eher aber niedriger Beruf sei –, obwohl der Essay keinen Mucks lang irgend satirisch gemeint war. Auch machte sich mein Entlarver selbstverständlich keine Sekunde lang die Mühe, den Text im Kern oder wenigstens in einem einzigen Detail zu widerlegen; war er ja doch, was ich aber erst später erfuhr, anläßlich ihres 75. Geburtstags und im Schwung eines reißenden Glückwunschartikels in der Frankfurter Rundschau als unverbrüchlicher Galan der Witwe Margarete, ihres goldenen Haars mitten im dunkelnden Deutschland sowie des »hinreißenden Charmes« dieser »wunderbar spontanen Person« ( FR 17.7.92) hervorgetreten; somit als ihr Verteidiger, falls sie selber meine wilde Vernichtung der sehr hohen kleinen Frau gar nicht mitgekriegt haben sollte.
Wahrlich, wahrlich, ich sage und verrate euch Nachgeborenen: Wenn ich wieder auf die Welt komme, schaffe ich mir als erstes eine Clique und Claque und möglichst einen wunderbar spontanen Galan und Randaleur Habermas an. Mein Artikel nämlich lockte zwar auch viel Zustimmung hervor, z.T. wohl solche alter Mitscherlich-Feinde und Geschädigter und verwandter soziologischer Gruppierungen – Widerworte aber, flankierend den Vorbeller Habermas und seine Leserbrief-Büberei, kamen noch mehr angerasselt. Nicht wenige, im Prinzip beinah alle aus den Schlünden von Pfründen, aus dem trüben Gelände der damals noch immer mehr oder weniger margareteabhängigen Wissenschaftskamarilla und/oder Betroffenheitsmischpoke: vom Mitherausgeber der Zeitschrift »Psyche« zum Frankfurter Institut für Psychoanalyse, von dem sich selbstverständlich mit bedeutender Verantwortlichkeit ebenfalls aufgerufen fühlenden Horst Eberhard Richter, der mir (oder der FAZ ) erwartbar »Bedürfnis nach Abrechnen« nachrechnete, bis zu dem damals allzeit einschlägig unverzichtbaren Hans-Martin Lohmann (»Mitscherlich-Jagd« eines »durchgeknallten Satirikers«) und zu, noch notorischer und eine Etage darunter, dem zu jener Zeit vielfach vernehmlichen Tilman Moser, der mich des »unflätigen Geschreis« überführte. Alles sehr vertraute Töne, und wiederum ihrerseits dem oben gestreiften Nazivokabular nicht ganz unähnlich in der Stereotypie der Ressentiments und der Gegnerdiffamierung sowie des nicht allein bei mir, sondern letztlich insgesamt entarteten Geistes. Und
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