Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
schwör’s euch abermals; und die ist ja noch nichts Böses, sondern war bei ihm allzeit etwas erziehungsverstärkt Phylogenetisches.
Bei mir hingegen, als ich später, mehr oder weniger dazu erpreßt, hin und wieder auch Preise und Preisgeld annahm, war’s die Freude am inneren Konflikt. Bei dem ein Großer hin und wieder auch unterliegen darf. So wahr mir Gott helfe. Zackbumm.
Und, zumal auch die »taz« vom 21.7.1998 den Gernhardtschen Text so als Klartext liest, daß sie mich gegen ihn verteidigen zu müssen meint: »Den Betrieb schwächen« durch Geldzurückweisung? Die Idee wäre ja selbst für eine durch und durch spirituelle Natur wie die meine allzu ätherisch, verschroben, ja bescheuert.
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Daß aus kleinen, aber nicht sofort korrigierten Gerüchten mittleres Unheil, aber auch beträchtlicher Segen in der Subfolge erwachsen kann, bezeugt der folgende etwas kurvenreiche Kasus:
»Henscheid tanzt« betitelte »igl« seine FAZ -Feuilleton-Glosse vom 11.12.2004; thematisierend einerseits meine unfreundliche öffentliche Kommentierung des komplettement närrischen Jelinek-Nobelpreises, verliehen am Tag zuvor; andererseits meine Annahme des Italo-Svevo-Preises im gleichen Jahr; und dritterseits den offenbaren Widerspruch zu meiner eigenen und angeblich kanonischen Preisverweigerungsgrundsätzlichkeit.
Für welche »igl« aber wohl keinen weiteren Beleg hatte bzw. hätte als eben – den des vorhin gehandelten und nicht einmal halbrichtig mich zitierenden Gernhardt-Gedichts. Ansonsten hatte ich wohl hie und da, vor allem aber in einem großen Aufsatz von 1986, über die zunehmende »Obszönität von Literaturpreisen« reflektiert; aber meines Wissens niemals ein ausnahmslos gültiges Ge- oder Verbot draus abgeleitet.
Ehe ich dies hier alles noch einmal referiere und wägend begründe: Manchmal nimmt einem ein anderer die Arbeit ab und macht es womöglich sogar besser als man’s selber vermocht hätte. In diesem Fall Martin Mosebach mit einem Leserbrief, den die FAZ am 22.12.04 abzudrucken sich gezwungen sah. Mir zum Weihnachtsgeschenk – es ist ein Text von selten schöner Lakonie und Genauigkeit:
»In der Glosse ›Henscheid tanzt‹ sind die Bedenken des Schriftstellers Eckhard Henscheid, einen Literaturpreis anzunehmen, dargestellt worden. Zugleich wurde darauf hingewiesen, daß Henscheid in diesem Jahr einen Literaturpreis angenommen habe. Es handelte sich um den Italo-Svevo-Preis, dessen Jury mir als einzigem Juror die Aufgabe übertragen hatte, den Preis zu vergeben. Dies Modell der Preisvergabe, das tatsächlich von jeder Art von ›Literatur-Proporz‹ denkbar weit entfernt ist, schien Henscheid so akzeptabel, daß er den von mir ihm angetragenen Preis annahm. Mit seiner Annahme ehrte Henscheid mich weit mehr als der Svevo-Preis ihn hätte ehren können, wobei er die Wahrscheinlichkeit eines allgemeinen Triumphierens über seine vermeintliche Inkonsequenz großzügig in Kauf nahm. Martin Mosebach, Frankfurt am Main.«
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Eine schmächtige bis mittelmächtige Arbeit über Samuel Beckett schwebte mir seit ca. 1985 allweil und immer wieder vor, über Beckett und seinen absonderlichen, nie ganz versickernden, aber auch nicht mehr gar zu lebendigen Nachruhm. Aus irgendwelchen Gründen blieb das allzeit liegen, es langte nur zu Notizzettelanläufen; deren Bestand sei hier als ungefähre Bilanz immerhin wiedergegeben:
1. Alles ist erlaubt zu attackieren, Goethe, Shakespeare, Nietzsche, sogar den splendiden Nobelpreisträger H. Böll (so teuer mir das vor dem Kammer- und Landgericht Berlin einst zu stehen gekommen ist; die Richter schienen aber irgendwie sogar meine Meinung zu teilen, daß man in Böll eine Pfeife sondergleichen zu sehen habe); im Notfall mit Kritik zu überziehen sind auch noch Joyce, Proust, gar Kafka. Ausgeklammert, der Kritik entzogen, entrückt, verboten, ein seltsam unausgesprochenes Tabu ist Beckett, ist jener, der (…)
2. Dabei sind Becketts dramatische Welterfolge, »Warten auf Godot« und »Endspiel« voran, auch was ihre komischen Potenzen anlangt, durchaus eines kritischen Blicks, einer Revision bedürftig. Arno Schmidt hatte nicht unrecht, als er die beiden, konträr zu ihrem Ruf, als wesentlich akademische, hölzerne Arbeiten begriff, als den Staub der fünfziger und sechziger Jahre auch, der da den annodunnemaligen Welterfolgen das Etikett des »Theaters des Absurden« verpaßte. Beizeiten hat dessen Erfinder, Martin Esslin, darüber Klage geführt, wie komplett
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