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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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für mich und mein Ahnungsvermögen!
    Sozusagen mit zusammengebissenen Zähnen zufrieden war es »Greif«, der Doktorand, also Gustav Seibt. Er las die druckfertige Geschichte im Verein mit dem Verleger Alexander Fest als erster gegen und machte sogar Besserungsvorschläge, die ich wohl alle befolgte. Und schrieb dann über die vielfach rar kuriose Causa in der »Süddeutschen Zeitung« unter der Überschrift »Ich war Greif«.
    Seibt hatte und hat recht. Die Causa war nicht nur rara, sondern wirklich nicht unheikel. Wie seit spätestens Goethes »Werther« alle Transferierung Wirklichkeit/Dichtung es ist.
    *
    Spätestens ab 1990, im Kern schon ab 1965 oder 1970, war es im Theater-/Opernfach immer so, daß jeweils unter 1000 bis 2000 Teilnehmern eines betr. Vorgangs – Mitwirkende und Publikum – der jeweils Dümmste die Regie machte; jener, der von der Sache am nachweislich wenigsten verstand. Jedenfalls fast immer. Eine im Prinzip gute Arbeitsteilung, denn der Dümmste muß ja auch was zu tun haben und von was leben. Eine Arbeitsteilung, die von den Mittuenden im wesentlichen auch voll anerkannt wurde, von der professionellen Kritik wie eben vom klügeren und gelehrteren Publikum. Und nur in ganz seltenen Ausnahmefällen trat beim Schlingensief und seinem Bayreuther »Parsifal« von 2004 mal der Tenor-Parsifal Endrik Wottrich wegen der Unzurechnungsfähigkeit der Sache auf und zurück. Und aber umgekehrt dankten jenem Dümmsten die bedürftigen Zweitdümmsten sein freilich meist unsichtbares Konzept, weil sie jetzt eindeutig nichts mehr kapieren mußten, indem sie statt dessen einhellig in irgendein Fernsehmikro gackerten: »Ich fand’s spannend, echt, auch irgendwie authentisch, eben spannend« und damit ansonsten in der Wohligkeit ihrer mit sich selbst identischen Identität und Idiotie verbleiben durften; als in dem schon unverrückbaren Status quo ihrer imponderablen idiomatischen Inkommensurabilität oder was auch immer immerhin.
    Selber traf mich nur einmal das Angebot, Regie zu machen, um das Jahr 2000 seitens des Opernhauses Nürnberg, Regie sogar für eins meiner Lieblingswerke, den »Bettelstudenten« von Carl Millöcker; welcher bei aller blindblödsinnigen Kanonisierung als oberster Operetten-Klassiker längst einer Rehabilitierung als seriöse musikdramatische Gigantengröße bedurft hätte. Es fiel mir damals leicht, ohne groß nachzudenken hier blank abzulehnen. Von anderen Gründen ganz abgesehen, hätte man von mir, in offenbar völliger Verkenntnis meiner musikalischen Schriften, etwas ganz Wildes, Ganzundgarrasendgewordenes erwartet und erhofft, den vermeintlich vergammelten Operettenschinken auf teufelkommraus aufzumöbeln.
    Auch trug mich das Gefühl und beförderte meinen entsprechend behutsamen Hinweis, ein »Bettelstudent« von mir würde vor Bravheit, ja Frommheit im Gegenteil nur so tremolieren. Und so stellte am Ende eine Art Konsens sich wieder her: Ich konnte schwerlich der rechte Mann für die Regie sein, wenn ich davon überzeugt bin, daß das Werk vor Wildheit und Geniekraft aus sich selber heraus nur so strotzt; genialer als ca. siebenundzwanzig Regietheater-Wilde im Verein mit mir es könnten.
    *
    Anläßlich eines Fortbildungs-Seminarwochenendes der Friedrich-Ebert-Stiftung ca. 1991 in Bad Münstereifel am Kamin im ersten Stock des ehemaligen Hotels; jenem Kamin, an dem in den hochdramatischen Tagen der Guillaume-Affaire 1974 die drei, Brandt, Schmidt und Wehner, den Kanzler-Rücktritt hin und her erwogen; wie man dort erfuhr.
    An einem schäbigen Kamin, wie ihn sich 1974 kaum ein Prolet in seine Villa gemauert hätte, mit Sesselattrappen noch unterm damaligen Möbel-Hess-0815-Standard, wurde also das gemacht, was man für Weltpolitik hielt. Wehners Schreibtisch stand im angrenzenden Zimmerchen, von dort aus konnte er – seine besondere Leidenschaft, wie man gleichfalls erfuhr – jedes die geschwungene Auffahrt heraufkommende Auto im Visier behalten und –
    Aber eigentlich könnte ich, wenn man mir meine Mitarbeit am Hüttler-Attentat vom 20. Juli 1944 doch nicht abnehmen sollte und auch nicht mein seinerzeitiges Wirken im Kreisauer oder wenigstens Kressbronner Kreis nicht – könnte ich eines Tages, sobald die Verwirrung noch größer, von meinem Mitwirken an diesem Bad Münstereifeler Kamin berichten, als bisher geheimgehaltener Vierter im Bun –
    Ach was. Anders als so manche ostpreußische Gräfin und weißrosige FDP -Spitzenpolitikerin und

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