Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
Vom Netzwerk:
aus, nämlich auf, soweit bekannt, nacktem Stein
    6. Die Lawine wird schnell riesengroß und erreicht bei Höhe Gornergrat ihr Maximum
    7. Sie rollt und donnert weiter, aber jetzt weniger Zermatt zu als erstaunlicherweise mehr ostwärts
    8. Der Schneeballen hat inzwischen solche Wucht, daß er auch wieder aufwärts rollt, so manche 3000-Meter-Berge dabei überwindend
    9. Insgesamt schafft er auf die Art ca. 60 km Luftlinie
    10. Zwischendurch zerstört die Lawine auch mehrere Après-Ski-Lokalitäten oder Discos o.ä. und Menschenleben mitten in der weißen Pracht der Bergwelt (bravo, Lawine!)
    11. Mittlerweile rollt der Gotthard-Expreß von Mailand kommend aufwärts dem Tunnel zu. Irgendwie funkisch aber hat der Lokführer vom Start und vom Rollen der feindlichen und kreuzungswilligen Lawine erfahren
    12. Er beschleunigt das Tempo und wirft deshalb den hintersten Wagen über einer Brücke ab – nach rechtzeitigem Umplacieren der Fahrgäste
    13. Auf die Sekunde genau vorm Eintreffen der Mörderlawine erreicht der Expreß den rettenden Tunnel – die Lawine hat das Nachsehen und stürzt ihrerseits sinnlos in irgendeine Tiefe ab.
    13 Lügen in ca. genau 13 finalen Filmminuten. Dieser Frequenz konnten nicht einmal die drei besten Lügner in der Realität meines von Lügen und Lügnern reich bestückten Lebens Paroli bieten. Auf dem Gebiet könnte ich auspacken, auspacken. Will aber heute nicht.
    *
    Thomas Mann, »einer unserer geruhsamsten Schriftsteller« (Karl Kraus), war im hohen Alter und als deutscher Remigrant einer der privat nervösesten, umgetriebensten; meist arg sinnlos zwischen Zürich-Kilchberg, Arosa, St. Moritz, Rom, Holland, Sils Maria usw. hin und her schlurfend; und, je weniger er als Dichter halbwegs Brauchbares mehr zuwege brachte, einer der bedeutungshuberisch aufgepeitschtesten. Fast täglich berichtet er in diesem Zusammenhang via Tagebuch (Ed. I. Jens) vom »Baden« – es dauerte etwas, bis meine Frau und ich rafften, daß er dabei nicht an den Zürcher See zu Kilchberg, sondern immerfort an seine Badewanne im jetzigen Pharmazie-Wohnhaus direkt am Seeufer dachte.
    Niemals ging er offenbar in den See baden, niemals tat er eine Zehe hinein, niemals erwähnte er die bildschöne Aussicht, sondern immer und immerzu meinte er die Wanne. Da lag er dann und sah, dem Tagebuch nach zu schließen, müßig den mäßigen, halb lästigen, halb erwünschten Regungen seines fast 80jährigen und, wie er mehrfach klagt, schon gar zu schlaffen Schwänzleins zu.
    Immer wenn wir auf dem Weg nach Arosa mit dem Eisenbahnzug durch Kilchberg brausten und an Thomas Manns später Logis vorbeizogen, gedachten meine Frau und ich der Sache und abermals goetheähnlichen Tragik. Und gern hätten wir dem Dichter beim Hinschauen zugeschaut. Oder zumindest ungern.
    *
    Eine kleine Korrektur; weil’s sein soll und weil sie sonst keiner tätigen kann:
    Im Gedichtband »Klappaltar« (1998) und vorher schon kongruent in der gerngelesenen und gerngeglaubten FAZ reflektiert der Freund und Dichter Gernhardt vor dem Hintergrund des ihm zugestoßenen Kleist-Preises und in der Manier von Brecht im einleitenden Kapitel (»Über den Widerstand«) über Pro und Contra aktueller Literaturpreise und Preismodalitäten; in einem fiktiven Dialog von »Ge-ga« (Gernhardt) mit »He-hei« (und das bin nun mal offenbar ich, Henscheid); nämlich über unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Preisannahme:
    »Indem du dich mit dem Literaturbetrieb gemein machst, stärkst du ihn«, sagte He-hei.
    »Indem ich ihm Geld entziehe, schwäche ich ihn«, hielt Ge-ga entgegen.
    Usw. He-hei hält schon zu Textbeginn das Annehmen für »verwerflich« – das Ganze wurde von vielen Lesern des Gernhardt-Gedichts für bare Münze und nämlich z.B. auch in einem FAZ -Kommentar als meine wirkliche Meinung genommen, ich aber erkläre im Jahr 2011 an Eides statt:
    Es ist nicht nur so, daß Gernhardt, was sonst nicht seine Art war, hier ungenau zitiert. Sondern eigentlich, der lehrhaften Pointe des Gegensatzes zuliebe, ohne jeden Wahrheitsgehalt. Geschweige denn mit irgendeinem mündlichen oder schriftlichen Beleg. Was verzeihlicher wäre, nennte Ge-ga als Motiv für seine Akzeptanzstrategie nicht auch noch das völlig unglaubwürdige, abwegige Motiv der Betriebsschwächung. Nein, das denn dann doch nicht. Ge-gas Motiv war einzig damals wie später, als sich die Preisgelder häuften, die Freude am Ge vulgo Geld, seine wenig verhüllte Ge-Ge-ilheit, ich

Weitere Kostenlose Bücher