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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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Widerstandskämpferin bin ich einfach zu unverbrüchlich der Wahrheit ergeben.
    *
    »Man ist alt geworden … man hat, durch die plumpsten Beweihräucherungen zur Selbstverblendung getrieben, den Traum eines langen Ruhmes geträumt, und eines Tages stürzt alles zusammen, der Ruhm ist ein Haufen Schmutz, und man wird begraben, ehe man tot ist. Ich kenne kein abscheulicheres Alter.«
    Was will er also, der Émile Zola von 1878, was wollte er? Daß er erst lang nach seinem Tod, daß er vielmehr schon vor seinem Tod samt Ruhm vergessen wird? Nichts da, wurde nichts draus, er ist noch heute berühmt, er lebt wie ein Fürst oder jedenfalls wie dessen Ruhm. Wenn auch, da ahnte er schon was Richtiges, als ein nun schon gänzlich und doppelt toter.
    Mit diesem Doppelschlag, spätestens zur Jahrtausendwende, ist das Posthistoire wirklich ausgebrochen. Alles, noch jeder Unfug, wird archiviert, musealisiert; nichts mehr wirklich erinnert, geschweige denn lebendig.
    Es ist dies aber nur, wie der Dichter sagt, so viel ich weiß, heischend sagt: Alles, was lebt, ist wert, daß es wieder vergeht, zugrunde geht.
    Könnte es sein, daß jetzt auch nicht mehr so viel darüber gejammert wird?
    *
    Unschwer vorstellbar, daß und wie meine Bücher, die Trilogieromane voran, mir vielfach Freundschaften gestiftet haben, das, was man Lebensfreundschaften nennen könnte, in vorerst einem Fall sogar eine Ehe; auch wenn diese Bücher gerade in solchen stifterischen Fällen vielfach falsch, zumindest sehr eingleisig gelesen worden waren. Der eigentliche Kern, die Essenz, das Integral dieser Bücher, ihr überlagerndes Wertegefühl jenseits der Attraktionen z.B. der Figuren oder der Lachhaftigkeit romanlicher Abläufe – das blieb fast restlos und zeitweise schändlich auf der Strecke; leider und gerade in manchen Fällen von daraus resultierender Lebensfreundschaft.
    Vertiefter, ausdrücklicher stellt sich das Problem oder auch Dilemma über die plane Falschlektüre hinaus dar mit der Beobachtung, wie nichts oder beinahe nichts von Buch und Werk in den Herzen und Hirnen der Leser Platz genommen hatte; nichts über die bei ihnen lang eingefahrenen Schemen von Erfolg und Konsum, von Prestige und christlichabendländischem Reflexdenken hinaus; nichts jenseits der platt hedonistischen Sinnerfüllung (Haus, Familie, Spitzenfahrzeuge, Kinderkarrieren usw.). Nichts hat dieses doch recht üppige Werk bewegt, nichts, was etwa zur Bewahrheitung des Rilke-Worts »Du mußt dein Leben ändern«, nämlich durch Worte, veranlaßt hätte. Nichts davon bewirkt offenbar, spätestens heute, Dichtung, Poesie. Nichts. Nicht den Hauch eines Pfiffs einer auch nur leis und gemessen züngelnden Idee.
    Das erging vielleicht Tolstoi und Dostojewski nicht viel anders. Und auch nicht, sagen wir, dem Lyriker Benn mit seiner seltsam existentiell-hochhinauswollenden, in Wahrheit wohl doch wieder nur wertkonservativen, gar autoritär-geduckten Nachkriegsleserschaft bei all ihren prätendierten Neuronenneuanfangs- und Synapsenübersprüngen. Nein, auch Benn richtete da nicht viel aus, vom gesamtheitlich faustischen Goethe approximativ zu schweigen. Ob das Leben zu verändern halt einfach eine überzogene Erwartung ist, eine die armseligen Wörter überfordernde? Wenn ja, sollten wir nicht klein beigeben, sondern unseren Beruf auf. Hat denn meine Lektüre – mein Leben irgend verändert? Neinnein. Ich war immer schon mit den Kafkas, Goethes, Bernsteins, Jaegers, Agatha Christies und Ruth Rendells eins und handelseins. Und mein Leben wäre also ohne sie genau so, genau so prima und primissima gelaufen und verlaufen! Ja? Aber dann hätte ich ja ihre ganzen Schwarten nicht oder jedenfalls allenfalls kursorisch und –
    Hm. Tscha. Oder auch tja. Nun ja, ich will über diese offenbar schwierige Materie ein andermal weiter nachdenken. Zeit hab ich ja. Vielleicht ein ganzes Jahrzehnt noch oder mehr, wenngleich der Gedanke an sagen wir Johannes Heesters (107 im Moment, damals) nun grad auch wieder nicht – – Schluß für heute.
    *
    Wiederholt und verschiedentlich habe ich schon da und dort meine und anderweitige Leser aufgefordert und inständig an sie appelliert, doch auch und gerade heute so fleißig wie möglich und unverächtlich genug ein, zwei, drei Dutzend Gedichte auswendig zu lernen und das Erlernte dann frischweg ein Leben lang mit sich herumzutragen als fast eingeborene, jedenfalls flotterdings unverzichtbare Lebens- und Überlebenshilfe gegen die Anfechtungen der

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