Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
»Spex«, das, obwohl sonst bedrückend geistverlassen, wenigstens im März 1999 doch einmal zu Hochform auflief:
– »Schröderdeutschland«
– »patziger Menschenhaß«
– »der ganze Kreuzigungsquatsch«
– »diese total abgefuckte Zeit«
– »dies verdackelte Land«
– »Stellvertretergaudi«
– »Staatsaffen-Trendokratie«
– »Festhalten am gesampelten Loop!«
– »postkoitale Heruntergekommenheit«
Ja, eben diese, diese letztere vor allem ist es wohl, die uns das Herz jetzt immer so zusammenkrampfen heißt. Dochdoch. Da bin ich ganz sicher.
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Prärogative. Wenigstens einmal in meinem Leben, meinen Werken, spätestens in den »Denkwürdigkeiten«, möchte ich dieses seltene, würdige, ja denkwürdige Wort doch noch niedergeschrieben haben.
Keine Ahnung, was es bedeuten könnte. Nein, Verhütungsmittel oder Ähnliches bestimmt nicht.
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»An etwas Schönes denken«, will Polts Präro – äh: Protagonist anläßlich von hochsommerlich paradiesischen Biergartennächten bzw. der Erinnerung an sie; und fährt dann zur Anschauung überraschend fort: »Zum Beispiel an Verdun!«
Im Januar 1991 war es wieder so weit. Im Zuge des zweiten Golfkriegs blieben unsere zeitlosen Rentner wegen der meridianen Zeitverschiebung gern und nächtelang auf und wach, um gegen 3 Uhr früh voller gewissenloser Unaufhaltsamkeit etwas derart Schönes zu sehen: Bomben, Raketen auf Bagdad oder, ist ja wurscht, Israel – und das, anders als beim leider vorzeitig passierten und verpaßten Verdun, TV -live. Damit der Fortschritt weitergeht. Ob Willy Brandt und die Seinen bei diesem Wahlwerbespruch von 1969 auch nur das Atom eines Gedankens daran mitdachten?
Nein, sie wollten halt auch nur etwas Schönes denken, irgendwas Schönes.
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Ein ganz Großer, ein Riese, war fast unbemerkt von uns gegangen:
Im September 2007 war es wohl, da weilte ich zu einem gar nicht so üblen Literaturfest in der namentlich nicht gar so vielversprechenden, dafür aber um so freundlicher überraschenden kleinen Stadt Hall bei Innsbruck; und es war mir ebenda ein Anliegen und sogar eine Lust, die erschienenen Tiroler der Stadt und des Landes dahin zu belehren, daß auf dem lokalen Friedhof, wovon ich mich schon am Vormittag überzeugt hatte, einer der bedeutendsten Männer des Landes und zumindest seiner jüngeren Geschichte begraben liegt, einer der Welt- und Säkulargiganten der Komik oder wahlweise des Humors: Otto Grünmandl (1924 – 2000).
In seinem Genre ein ganz Großmächtiger, obwohl gerade dieses Genre bei ihm, wie bei etlichen verwandten Köpfen, sehr schwer auf den konsistenten Begriff zu bringen ist.
Ein Großer, dem Würdigung und Huldigung zeitlebens nicht gänzlich versagt blieben, dem jedoch die vergleichsweise höchste Anerkennung wie die bestmögliche Realisierung seines Talents eigentlich erst in seinem letzten Lebensstadium sowie postum zuteil wurden. Dank nämlich einer späten und sogar mehr zufälligen Begegnung mit dem kongenialen Gerhard Polt, und da eigentlich auch fast nur mit der BR -Serie und der daraus resultierenden Duett- CD »Die ganze Welt«; die Grünmandl in einer derartigen einstündigen Hochform an Sprech- und Improvisationspräsenz, an Präzision der Töne und Halbtöne und Phoneme und Modulationen, an Crescendos und Decrescendos zeigt, daß sogar ein Polt Mühe hat, adäquat mitzuhalten; daß, was bei Komikern ja nicht so oft vorkommt, es zum Weinen ist.
Ich selber traf Grünmandl nur einmal im Leben, nach einer Aufführung von »München leuchtet« (oder war’s »Tschurangrati«?) in den Kammerspielen – brachte ihn da aber beim Plaudern in durchaus untypischer Benebeltheit mit Qualtinger, Girardi, Giraudoux und vielleicht sogar mit Grünmandl selber derart durcheinander, daß der Hochselige es schon bittschön verzeihen muß. Und, weil der Ohrenzeuge Polt sicher zu faul ist, es aufzuschreiben, ende die Selig-, nein Heiligsprechung mit einem Grünmandlschen Diktum am Totenbett in Hall: »Noja, Gerhard, jetzt sterb i erst amal a bißl, dann schaun ma weiter …«
Mit diesem berückenden Grünmandl-Diktum ist auch Goethes Mutter Aja mindestens egalisiert, von der berichtet wird (z.B. Robert König, 2. Band, S. 114), daß sie anläßlich einer Einladung im Jahr 1808 sich mit den Worten entschuldigen ließ, »sie müsse alleweil sterben«.
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Mich manchmal den Medien verweigert
Dachte, das würde unheimlich wahrgenommen
Aber meine Freunde vor den Fernsehern
Die haben das überhaupt
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