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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Verbindung besteht zwischen Ihnen und Elischa Naveh?« Michael richtete sich etwas auf und erwartete ihre Antwort. Er sah Überraschung in ihren Augen und auch eine neue Furcht, wie sie vorher nicht vorhanden gewesen war.
    Da sie keine Antwort fand, fragte sie unruhig, weshalb er frage. »Was hat er mit all dem zu tun?«
    »Nichts, soweit wir wissen«, sagte er in kollegialem Ton, »aber weil ich Sie beide miteinander sprechen sah, neben dem Auto, dachte ich ...«
    Offensichtlich wollte sie protestieren: Er konnte sie unmöglich gesehen haben, er war nicht in der Nähe. Dina Silber war ein berechnender Mensch. Sie blickte ihn an und fragte, wie sie eine Antwort mit ihrer Berufsethik vereinbaren solle.
    »Aha«, sagte Michael, »er ist Ihr Patient?«
    »Nein, das nicht, aber er war mein Patient.« Sie betonte das Wort »war«.
    »Wo und wann?«
    Sie habe ihn zwei Jahre lang behandelt, bis er achtzehn war, in der psychiatrischen Klinik im Norden Jerusalems. »Also bis vor einem Jahr«, überlegte Inspektor Ochajon laut. »Und ist die Therapie abgeschlossen?«
    Das sei eine komplizierte Geschichte, sagte sie, die nichts mit dem Fall zu tun habe, sondern mit der Beziehung, die der Patient zu ihr entwickelt habe. »Eigentlich ist die Be handlung unterbrochen, aber nicht abgeschlossen wor den«, erläuterte sie, »und ich konnte ihm nicht mehr helfen, aber da müßte ich Ihnen schon mit Fachausdrücken kommen, wenn ich das erklären wollte.«
    »Welche Fachausdrücke«, fragte Michael interessiert, »kann der Begriff Übertragung hier helfen?« Mit Befriedigung sah er, wie sich Überraschung und neuer Respekt in ihren Augen spiegelten.
    »Ja, dieser Begriff kann gewiß helfen. Sehen Sie«, sagte sie im belehrenden Ton, »ich weiß natürlich nicht, inwie weit Sie mit dem Gebiet vertraut sind, aber der Junge hat verschiedentlich agiert, kennen Sie den Ausdruck?«
    Nein, den kenne er in diesem Zusammenhang nicht. Ob sie ihn erklären könne?
    Ihr Gesicht nahm eine selbstsichere Ernsthaftigkeit an, die Michael nicht zerstören wollte. »Mit anderen Worten«, sagte sie, »er fing an, mich mit Telefonaten zu belästigen, mit unerwarteten Begegnungen, mit Forderungen. Er wollte seine erotischen Phantasien realisieren.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß er sich in Sie verliebt hat?«
    »Einfach ausgedrückt: ja. Der Fachausdruck wäre Übertragungsneurose. Das bedeutet, daß der Patient versucht, die Übertragung in der Wirklichkeit auszuleben, anstatt im Gespräch während einer Sitzung.«
    »Und dann wird die Behandlung abgebrochen? Ich dachte, die Übertragung sei eine der Bedingungen für den Erfolg der Behandlung.«
    Wieder blitzte ein Funke der Überraschung auf. »Grundsätzlich haben Sie recht, aber in diesem Fall kam es zu einer Gegenübertragung und ...«
    »Was bedeutet das?« fragte Michael ungeduldig, »wollen Sie damit sagen, daß er Sie nervös gemacht habe? Oder haben Sie bestimmte Empfindungen ihm gegenüber entwikkelt?«
    Ja, das habe sie. Er beschäftigte sie außerhalb der Sitzungen in einem Maße, das die Fortsetzung der Behandlung unmöglich machte. Sie habe nicht gewußt, was aus ihm geworden war. Bei der Beerdigung habe sie ihn zum ersten Mal seit dem Abbruch der Behandlung gesehen.
    »Das heißt, daß Sie ihn ein volles Jahr nicht gesehen haben, und plötzlich erscheint er auf der Trauerfeier?« fragte Michael und hielt den Stift, um zu notieren. »Sind Sie sicher? Kein Kontakt? « Wieder klang seine Stimme feindse lig, er konnte es nicht unterdrücken, ohne zu wissen, weshalb. Dann fing er sich und erklärte ihr, daß seine Notizen genau sein müßten.
    »Sicher, aber warum sind diese Informationen so wichtig?« Sie war sichtlich nervös. »Es widerspricht meinen ethischen Grundsätzen, wenn Dinge publik werden, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.«
    Michael fragte, ob der Patient sie während eines ganzen Jahres überhaupt nicht belästigt habe.
    »Nein, nur manchmal telefonisch«, sagte sie zögernd.
    »Wo hat er Sie angerufen?« fragte er und hielt den Kugel schreiber fest.
    »In der psychiatrischen Klinik. Ich habe bis vor sechs Monaten dort gearbeitet.«
    »Und seitdem haben Sie nichts von ihm gehört?« fragte Michael, der fühlte, wie seine Spannung wuchs. Er spürte, daß ihn etwas daran hinderte, die Tatsachen zu erkennen, aber er wußte nicht genau, was es war.
    Nein, sie habe nichts von ihm gehört, seit sie die Klinik verlassen habe, und gestern bei der Trauerfeier habe sie ihn

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