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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Medizinstudenten zu wecken.
    »Wozu brauchen Sie ihn jetzt? Er hat die leeren Packun gen mitgebracht. Ich habe sie an mich genommen, als er sich hingelegt hat. Ich kann Ihnen genau sagen, was er genommen hat, sogar von welcher Apotheke er es bekam.« Und entschieden fügte er hinzu: »Der Junge befindet sich im Schock, gönnen Sie ihm etwas Ruhe.«
    Aber Ochajon hatte sich wieder gesammelt, sein Gesicht bekam jene Entschlossenheit, die Gold noch so bekannt war. Michaels Stimme war leise, doch sie duldete keinen Widerspruch. Er verlangte, den Studenten sofort zu wecken und niemand außerhalb und innerhalb des Krankenhauses etwas davon zu sagen.
    Gold gab nach und führte Michael auf die psychiatrische Abteilung. Dort weckte er Jakob, der sich sofort im Bett aufsetzte. Seine Augen wirkten nackt ohne die Brille, er tastete hinter sich und blickte beide niedergeschlagen an. Seine Lippen zitterten, als Gold ihm erklärte, wer Michael Ochajon sei. Michael setzte sich aufs Bett, und mit einem Zartgefühl, das ihm Gold nie zugetraut hätte, legte er seine Hand auf Jakobs Arm und sagte: »Es tut mir schrecklich leid, aber wir brauchen Ihre Hilfe.« Gold kochte Kaffee, während Jakob verzweifelt sagte, er wisse nicht, wie man jetzt noch helfen könne, aber er werde alles tun, was man von ihm verlange. Sein Gesicht verzog sich, und er war nahe daran, wieder in Tränen auszubrechen. Aber er riß sich zusammen und trank von dem Kaffee, den Gold aus der Kanne in der Ecke geholt hatte.
    Gold saß etwas abseits und hörte zu; Michael Ochajon hatte ihn nicht gebeten, das Zimmer zu verlassen, und überhaupt wirkte Ochajon, als ob etwas in ihm zerbrochen wäre. Der Rothaarige war nirgends zu sehen, und Gold dachte nicht daran, sich nach ihm zu erkundigen.
    Um vier Uhr früh begann Ochajon das Verhör. Anfangs stellte er Jakob die gewöhnlichen Fragen: Um wie viel Uhr er Elischa gefunden habe, woher die Medikamente und der Cognac seien, ob er einen Brief, eine Nachricht entdeckt habe. Jakob sagte, er habe nicht gesucht, er sei nur damit beschäftigt gewesen, Elischa zu retten. Wenn es eine gab, dann sei die Nachricht nicht sehr auffällig plaziert gewesen.
    Als Michael bemerkte, daß man jetzt danach suche, begriff Gold, wo der Rothaarige war. Eine Gänsehaut überlief ihn, als er daran dachte, wie die Polizei die Wohnung der jungen Leute durchsuchen würde. Bilder von einer verwüsteten Wohnung stiegen in ihm auf. Und als Michael nach Neidorf fragte, verstand Gold plötzlich, was den Polizeibeamten so verändert hatte: Er ermittelte noch immer in dem Mordfall, beinahe zwei Monate nach dem Geschehen. Jetzt begriff Gold auch die Ursache der dunklen Ränder unter seinen Augen, und etwas wie Sympathie für den Inspektor stellte sich ein, beinahe gegen seinen Willen.
    Dann erzählte Jakob von der psychiatrischen Klinik. Elischas Vater habe sich bereits vor drei Jahren mit Neidorf beraten. »Sie waren befreundet, sie waren mal Nachbarn oder so, ich erinnere mich nicht genau, aber Mordechai – das ist Elischas Vater – ging mit Elischa zu ihr, und Neidorf verwies sie an die Klinik. Und überhaupt war Mordechai sehr besorgt. Elischa war nicht wie andere Jungen in seinem Alter. Er war dort zweimal wöchentlich in Behand lung, zwei Jahre lang, dann hörte er auf.«
    Ja, sagte er zögernd, er wisse, weshalb er die Behandlung abbrach, aber das sei eine sehr private Angelegenheit, und er sei nicht sicher, ob er es erzählen könne. Gold erwartete, daß sich der Polizist auf Jakob stürzen würde. Er war be reit, den Jungen zu beschützen und ballte bereits die Fäu ste, als er zu seiner großen Verwunderung sah, daß der Inspektor sich geduldig an die Wand zurücklehnte, als habe er unendlich viel Zeit. Die Spannung war kaum zu ertragen, und Gold fühlte den Drang, die beiden zu schüt teln und zu brüllen. Er erhob sich und bereitete neuen Kaffee.
    Sehr ruhig fragte der Inspektor nun, in welcher Stim mung Elischa Naveh sich in der letzten Zeit befunden habe.
    »Ich habe ihn nicht mehr häufig gesehen«, sagte Jakob schuldbewußt. »Ich bin erst vor einer Woche aus London zurückgekehrt, und seit meiner Rückkehr bereite ich mich auf eine Prüfung vor. Elischa ist tagelang verschwunden gewesen, ich weiß nicht genau, was er getan hat«, sagte Jakob verzweifelt. Wenn er jetzt zurückdenke, komme ihm alles merkwürdig vor, Elischa redete unzusammenhän gend, wenn sie sich kurz sahen. Aber er habe angenom men, das habe mit Elischas stets sehr

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