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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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auf Unregelmäßigkeiten. Er ist nicht in deinen Händen gestorben, also mach nicht so ein Gesicht.«
    Gold schaffte es, Rina zu überreden, das Telefonat zu führen und ihm »den ganzen Ärger zu ersparen«. Kurz darauf kam der Einsatzleiter, der Rothaarige, der ihn an jenem Sabbat zum Russischen Platz gebracht hatte. Er las den Namen des Toten, wechselte eine paar Worte mit Rina und verlangte das Telefon. Dann erschien Ochajon. »Das ist nicht wahr, das kann nicht sein«, dachte Gold, als Ochajon und der Rothaarige sich dem Schalter näherten, wo er stand und ihnen mit wachsendem Schrecken entgegenblickte.
    »Soso«, sagte der Rothaarige aufgeräumt, »man trifft sich bei freudigen Anlässen, wie? Dr. Gold, was sagen Sie?«
    Gold fühlte den Zorn in sich aufsteigen und wollte protestieren, nahm sich aber zusammen, als er das blasse und gespannte Gesicht Inspektor Ochajons sah, der Jeans trug und die Ärmel seines blau gemusterten Hemdes bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hatte. Rina betrachtete zornig die Zigarette in Michaels Mundwinkel und warnte ihn davor, sie anzustecken. Doch da trafen sich ihre Augen, und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Gold wurde Zeuge von Werbungsversuchen, die nicht mehr an einen unverbindlichen Flirt erinnerten, sondern an ernsthafte Bemühungen, die offensichtlich aus einem eindeutigen Interesse an einem bestimmten Objekt resultierten. Und während Rina den Polizeioffizier zur Intensivstation führte, damit er die Leiche, wie gewünscht, selbst sehe, dachte Gold zornig: Dieser hoch gewachsene Mann mit seinen dunklen und traurigen Augen ist das Ideal jeder durchschnittlichen Gans.
    Wieder saß Gold Michael Ochajon gegenüber, im Hinterzimmer der Notaufnahme, auf seinem eigenen Territorium, in dem sich der Inspektor offensichtlich wie zu Hause fühlte, als hätte er schon immer mit ihm Nachtdienst ge macht. Zu seiner Erleichterung stand er nicht im Mittel punkt der Ermittlungen. Ochajon interessierte sich für Ja kob und vor allem für den Verstorbenen.
    Als Ochajon zurückkam und ihn bat, mit ihm in ein anderes Zimmer zu kommen und Gold auf das Hinterzimmer deutete, machte er noch einmal alle Empfindungen jenes Sabbats im Institut durch. Nur der Ausdruck des Inspektors, der anders war, erschöpfter und weniger verschlossen, veranlaßte Gold, sich zusammenzunehmen und sich klarzumachen, daß die Dinge diesmal anders lagen.
    Die Gesichtszüge des Inspektors wirkten verhärtet, und etwas darin erinnerte Gold an Jakob. Ein Gefühl der Schuld lag in diesem Gesicht. Ungeduldig fragte Ochajon: »Was ist mit dem jungen passiert?« Er steckte die Zigarette nicht an, sondern legte sie vor sich auf den Tisch, und Gold sah die Abdrücke der Zähne auf dem Filter.
    Gold berichtete, was ihm Jakob über die Mischung von Tabletten und Alkohol und die unstabile Persönlichkeit mitgeteilt hatte. »Das Thema meiner Abschlußarbeit ist die Eletrol-Vergiftung gewesen.« Eigentlich gab es auf diesem Gebiet keinen besseren Spezialisten in diesem Krankenhaus als ihn. Das sagte er nicht ausdrücklich, sondern er bestätigte nur, was Glauer dem Inspektor bereits erzählt hatte. Beinahe mit Vergnügen berichtete Gold dem Inspektor, der erschrocken zuhörte: Eine Überdosis konnte Herzstörun gen zur Folge haben, eine Kombination mit Alkohol war sehr riskant.
    Ochajon fragte, wie man Eletrol bekommen könne.
    »Ah«, sagte Gold mit einer Sicherheit, die er vorher nicht an sich gekannt hatte, »vom Hausarzt, wenn Sie ihm sagen, daß Sie unter Depressionen leiden, vielleicht nicht beim ersten Mal, aber beim zweiten. Er wird Ihnen bestimmt Eletrol in einer stufenweisen monatlichen Dosierung verordnen und Sie zur Apotheke schicken. Die meisten Menschen«, Gold blinzelte auf die mit zitternden Händen angezündete Zigarette, »denken, man sterbe infolge von Schlaftabletten, Barbituraten oder Beruhigungsmitteln. Denn sie wissen nicht, daß man riesige Mengen davon einnehmen müßte, um zu sterben. Aber wer sich etwas genauer auskennt, weiß, daß eine ausreichende Menge Eletrol – sagen wir zwei Gramm, das kann die Dosis für zwei Wochen sein – kaum zu überleben ist, wenn man sie, wie der Junge es getan hat, mit Barbituraten und Alkohol einnimmt, besonders, wenn man erst nach zwei Stunden gefunden wird: Dann kann man den Magen auspumpen, wie wir es mit ihm getan haben, bis Gottes Reich errichtet wird – aber der Stoff ist bereits im Blut, da ist dann nichts mehr zu machen.«
    Michael bat, den jungen

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