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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Tablettenröhrchen, die er neben dem Bett gefunden hatte. »Ganz normale Apothekenpackungen, ich hab keine Ahnung, wo er die her hatte. Auf einem stand Eletrol und auf dem anderen Prodormol. Ich weiß ja noch nicht viel, aber doch genug, um zu verstehen, daß es kaum eine Kom bination gibt, die so zerstörerisch wirkt.« Er brach in Trä nen aus.
    Gold schwieg und ließ ihn weinen.
    Während der zwei Stunden, die Gold mit Jakob zusammen saß, sprach er mit ihm über die Schuldgefühle, die den Schock bei einer solchen Entdeckung begleiten. Jakob fühlte sich schuldig, weil er Elischa einmal selbst erzählt hatte, »wie man ganz bestimmt nicht sterben wird«: Sie hatten einen Fernsehfilm gesehen, erzählte Jakob. Die Heldin versuchte, sich mit Valium das Leben zu nehmen. »Und ich mußte so superklug sein und anmerken, daß man, um davon zu sterben, an die zweihundert Tabletten schlucken muß, daß man von Schlaftabletten überhaupt nur stirbt, wenn man eine Riesenmenge nimmt. Er wollte wissen, wie man denn dann Selbstmord machen könne, und ich fragte ihn – aber erst nachdem ich alles erzählt hatte –, ob er gewisse Absichten habe. ›Spinnst du?‹, fragte er.« Gold murmelte etwas Beruhigendes, aber Jakob hörte gar nicht zu und fuhr aufgewühlt fort: »Ich kann es nicht fassen. Ich weiß nicht, ob Sie erkennen konnten, wie schön er ist, die Frauen waren verrückt nach ihm. Er hat Humor und Charme und Intelligenz, er zog die Menschen an wie der Honig die Bienen. Nicht nur, weil er schön war. Er gab einem das Gefühl, daß er einen wirklich braucht, dieses Gefühl gab er jedem. Wir standen einander sehr nahe, und ich habe ihm damals geglaubt, wenn ich auch vorsichtshalber seinen Revolver versteckt habe. Denn schon bevor ich abfuhr, wirkte er verstört, aber ich habe nicht geglaubt, daß er sich Eletrol beschaffen könnte. Das bekommt man doch nicht ohne ärztliches Rezept, ich weiß nicht, wer es ihm gegeben hat.«
    Jakob klagte sich an, weinte und schrie, und Gold sah befriedigt, daß der junge Mann aus dem Schock heraus fand, daß der Schock sich in Ärger, ja in Zorn verwandelte. Gold versuchte, so überzeugt wie nur möglich zu klingen, als er sagte, daß man einen Menschen, der wirklich beschlossen hat, Selbstmord zu begehen, nicht aufhalten könne. »Sie können ihn höchstens in einer konkreten Situation aufhalten, aber Sie können ihn nicht davon abbringen; Sie müssen es als krankhafte Neigung betrachten, es ist eine seelische Krankheit, und daher tragen Sie weder Verantwortung noch Schuld: Sie konnten die Tat nicht verhindern.«
    Dies sagte Gold, als Rina die Tür einen Spalt weit öffnete und viel sagend hineinblickte. Gold begriff sofort. Der Junge ist tot, dachte er, und sie möchte, daß ich es ihm beibringe. Aber auch Jakob hatte den Blick aufgefangen und verstan den, er legte den Kopf auf seine Arme vor ihm auf den Tisch und brach in Tränen aus.
    Später betrat Glauer das Zimmer, sein weißer Kittel war durchgeschwitzt und voller Blutflecken. »Er hat es sehr gründlich gemacht, sogar wenn er früher gebracht worden wäre, hätten wir nichts mehr ausrichten können.« Der Arzt legte eine Hand auf den Arm von Jakob, der sich die Augen wischte und sagte: »Danke. Ich wußte es schon auf dem Weg«, und er brach wieder in Tränen aus.
    Glauer schwitzte noch, obwohl die Klimaanlage voll eingeschaltet war. »Wir haben nichts unversucht gelassen«, sagte er. »Und ich hatte noch Hoffnung, weil Jakob ihm bereits auf dem Weg eine Infusion gegeben hatte, aber dann war der Blutdruck nicht mehr stabil.« Glauer setzte sich auf einen Stuhl neben Gold. Er sah sehr unglücklich aus und meinte schließlich: »So jung und ein solcher Idiot. Man muß wirklich sterben wollen, wenn man es mit Eletrol versucht.«
    Endlich führte Gold Jakob ins Ärztezimmer der psychiatrischen Abteilung. Jakob legte sich nach einiger Überredung auf das Bett und nahm etwas Valium ein. Gold kehrte in die Notaufnahme zurück, wo ihn Glauer erwartete, der sagte, man müsse die Polizei benachrichtigen.
    Schlomo Gold spürte den kalten Schweiß an seinem Rük ken. Aufs Neue kamen die Ereignisse des Sabbats vor zwei Monaten in ihm hoch, die Zeugenvernehmung auf dem Kommissariat, das ohnmächtige Gefühl, das er damals empfunden hatte. Aber er wußte, daß es unvermeidlich war.
    »Unnatürlicher Tod, da muß man sich an die Vorschriften halten«, sagte Glauer und rückte seine Brille zurecht. »Los, ruf die Polizei an. Ich hab keine Lust

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