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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Hebräisch gesprochen habe. Aber was war es für eine Mühe!« An diesem Punkt fragte er Michael, ob er in Israel geboren sei.
    »Nein, aber ich war erst drei, als wir nach Israel kamen.« »Für Kinder stellt die Sprache kein so großes Problem dar.«
    »Nein«, pflichtete Michael bei. »Aber es gibt andere Schwierigkeiten.«
    »Ja«, sagte der Alte und betrachtete ihn prüfend.
    Anscheinend wuchs unter dem Fenster Jasmin. Michael sog den Duft ein und zündete sich eine neue Zigarette an. Die sechste, zählte er.
    Später, fuhr Hildesheimer fort, wurden das Ehepaar Levin und er selbständige Analytiker und betreuten eine Gruppe, die nach dem Krieg eingewandert war. Deutsch war damals der einzige Lehranalytiker. Alle machten bei ihm die Lehranalyse. Anfangs wurden nur Psychiater aufgenommen, später auch Psychologen. Einmal wurde sogar jemand akzeptiert, der aus einem ganz anderen Bereich kam, was heute vollkommen ausgeschlossen sei: ein junger, begabter Veterinärmediziner, der hier seine gesamte Ausbildung absolvierte. Deutsch war sehr von seiner Persönlich keit und seiner Intuition beeindruckt. Hildesheimer war sein Kontrollanalytiker. »Und heute ist der ehemalige Veterinär ein sehr geachteter Kollege.«
    Michael war sich nicht ganz sicher, aber er hatte das Gefühl, daß er wissen müsse, von wem die Rede sei, daß der Alte, ohne Namen zu nennen, etwas mitteilen wollte. Er konnte im Augenblick nicht entschlüsseln, wer der Mann war, wußte aber, daß er es mit der Zeit herausbekommen würde. Offensichtlich, auch wenn nichts ausdrücklich ge sagt worden war, mochte Hildesheimer den »geachteten Kollegen« nicht sehr.
    Und dann waren sie schon zwanzig Analytiker, dazu noch fünf Kandidaten. Das Haus wurde eng. Deutsch war erschöpft, und er wollte einen Ort, um sich zurückziehen zu können. Das war Anfang der fünfziger Jahre, die Levins waren damals in London zur Fortbildung. Deutsch und Hildesheimer suchten und fanden das Haus, »in dem Sie heute morgen gewesen sind. Später vermachte Deutsch das Gebäude dem Institut, daher trägt es seinen Namen. Und dann bot auch dieses Haus nicht mehr genügend Platz, denn wir waren schon hundertzwanzig Kollegen, mit den Kandidaten. Wenn Vorträge gehalten wurden, wie heute«, das Gesicht des Alten nahm einen schmerzlichen Ausdruck an, »wurde es schwer, alle unterzubringen. Es wurde also auf dem Dach angebaut. Wenn beispielsweise ein Kandidat einen Fall vorstellen mußte« – doch da unterbrach er sich, da er den fragenden Ausdruck auf dem Gesicht seines Gegenübers bemerkte.
    »Wie sieht eine solche Vorstellung aus?«
    Der Alte erklärte, daß sich der Kandidat, der alle Voraus setzungen erfülle, bei der Ausbildungskommission des Instituts um die Erlaubnis bewerben könne, einen seiner Fälle vorzustellen. Nachdem der Kandidat also unter Supervision drei Analysen durchgeführt habe und sich parallel dazu einer Lehranalyse unterzogen habe, bewerbe er sich darum, eine Fallstudie vorstellen zu dürfen. Nun sei die Zustimmung der Ausbildungskommission und seiner Kontrollanalytiker erforderlich. Die Kommission könne das Gesuch sofort bestätigen oder Änderungen verlangen. Endlich werde der Kandidat aufgefordert, das Konzept seiner Fall studie schriftlich darzulegen, dann erst werde ein Termin für den Vortrag angesetzt. Daraufhin müsse der Kandidat seine Fallvorstellung aufschreiben, vervielfältigen und verteilen.
    Michael hörte der Schilderung dieses Leidensweges konzentriert zu.
    Im Anschluß an den Vortrag, fuhr der Alte fort, können Fragen gestellt, Kritik oder Zustimmung geäußert werden. Dann verlasse der Kandidat den Raum, und zurück blieben nur die voll ausgebildeten Analytiker. Wenn es die Versammlung mit ausreichender Mehrheit beschließe, »zwei Drittel müssen für den Kandidaten stimmen«, würde der Kandidat als außerordentliches Mitglied in die psychoanalytische Gesellschaft aufgenommen.
    »Was bedeutet es in der Praxis, ein außerordentliches Mitglied zu sein?«
    »Ein außerordentliches Mitglied wird nicht mehr von einem Supervisor kontrolliert und erhält das volle Honorar für die Behandlung. Ein Kandidat darf nur den halben Honorarsatz fordern, er wählt auch seine Patienten nicht selbst aus, sondern bekommt sie vom Institut zugeteilt.«
    »Und wie wird ein außerordentliches ein ordentliches Mitglied?« fragte Michael.
    »Nun«, entgegnete Hildesheimer, »zwei Jahre nach der ersten Vorstellung kann das außerordentliche Mitglied einen weiteren

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