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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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vor allzu großer Konkurrenz schützt. Die ausgeprägte Meister-Schüler-Beziehung, die man von den alten Zunftorganisationen kennt, ist nicht zu übersehen.«
    Hildesheimer ließ sich Zeit. Dann antwortete der Alte so ernsthaft und bemüht, daß Michael gerührt war. Während er zuhörte, versuchte er, eine Überschrift für die lange Rede zu finden, die mit Ausführungen über die Erfordernisse der klinischen und theoretischen Ausbildung begann, um sich dann dem zuzuwenden, was Hildesheimer die »Einsamkeit des Therapeuten« nannte:
    Ein Analytiker, der nicht in öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder psychiatrischen Kliniken arbei tet, hört Tag für Tag und Stunde für Stunde Patienten an; mit einem Ohr lauscht er den Geschichten, die ihm erzählt werden, mit dem anderen registriert er Randbemerkungen, die die Geschichten begleiten, und mit einem zusätzlichen Ohr nimmt er die Stimmung wahr, in welcher der Patient erzählt, während er gleichzeitig alles, was er gehört hat, zu den Denkmodellen seines Gegenübers in Beziehung setzt. Auch der Patient spricht über den Therapeuten, in dem er aber niemals den wirklichen Menschen sieht. Für den Patienten nimmt der Therapeut stets neue Gestalten an. Er verkörpert alle Menschen, die im Leben des Patienten eine Rolle spielen, die Mutter und den Vater, seine Geschwister, Lehrer und Freunde, seine Frau und seine Kinder, seinen Chef – stets nach seinen Bezugsmodellen. »Wie jeder weiß, der sich mit diesen Dingen beschäftigt«, sagte der Alte, »entwickeln wir keine Beziehung zum wahren Selbst der Menschen, wir sind immer in Bezugsmodellen befangen, die sehr früh angelegt werden. Wenn der Patient also gegenüber dem Therapeuten die gleichen Verhaltensmuster zeigt, wie gegenüber seiner Frau, dann darf man nicht vergessen, daß er auch seine Frau nicht wirklich so sieht, wie sie ist. Und manchmal«, führte der Alte nun weniger belehrend aus, »ist das Verhältnis des Patienten zu den Menschen um ihn ohne jeden Bezug zur Realität. Wenn aber eine Behandlung er-folgreich verläuft, wird der Patient sich zum Therapeuten verhalten, als ob dieser tatsächlich all die Figuren seiner Bezugsmodelle verkörpern würde. Dann kann der Patient den Therapeuten einmal hassen und beschimpfen, und ein andermal wird er ihn lieben, aber das alles hat keine Verbindung mit der Realität, es hat nichts mit der eigentlichen Persönlichkeit des Therapeuten zu tun.«
    Michael bat um ein Beispiel.
    »Gut«, sagte der Alte. »Möglicherweise macht Ihnen der Patient erbitterte Vorwürfe: Sie könnten sein Leiden nicht verstehen, weil Sie ein glücklich verheirateter, wohlhabender, erfolgreicher und gut aussehender Mann seien, obwohl Sie tatsächlich verwitwet, geschieden und krank sind und sich mit dem Finanzamt herumärgern. Das nennen wir Übertragung. Und es gibt keine Behandlung ohne diese Übertragung, eigentlich findet sie, bis zu einem bestimmten Grad, immer statt. Am wichtigsten aber ist die Wärme, die menschliche Beziehung, die das Vertrauen zwischen dem Patienten und dem Therapeuten ermöglicht. Der Thera peut«, erläuterte der Alte weiter, »muß fähig sein, auf sol che Verhaltensmuster wieder und wieder hinzuweisen, das ist seine Rolle in den Sitzungen. Dabei ist für die Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse natürlich kein Platz. Ich persönlich halte es beispielsweise für ausgeschlossen, daß der Therapeut während der Behandlung raucht, weil er dann mit der Befriedigung seiner Bedürfnisse beschäftigt ist. Und wenn man Tag für Tag seine eigenen Bedürfnisse leugnen muß, wenn man bereit sein muß, sich entweder Beschuldigungen anzuhören, die jeder Grundlage entbehren, oder aber geliebt zu werden wegen Eigenschaften, die man nie besessen hat, dann entsteht das Bedürfnis, mit Kollegen zusammen zu sein, um sich auszutauschen und dazuzuler nen, um Sicherheit und Bestätigung zu bekommen und auch sachliche Kritik zu hören. Man sucht sich ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, einer gemeinsamen Tradition, die die eigene Arbeit begründet.«
    Michael bemerkte die Hände des Alten, die in einer Geste der Ohnmacht ausgestreckt wurden.
    »Manchmal verliert auch ein Therapeut die Relationen aus den Augen«, sagte Hildesheimer. »Und dann ist er auf seine Kollegen angewiesen, die von einem anderen Standpunkt aus urteilen können. Ich will jetzt gar nicht weiter darauf eingehen, daß der Therapeut einen immer gleichen Abstand zwischen sich und dem Patienten wahren

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