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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Puls und versuchte, sie zu beleben. Gold gab den Gedanken auf, nach Hause zu gehen. Chedva kam schnell zu sich, aber es stellte sich heraus, daß sie sich beim Fallen ihren rechten Knöchel verletzt hatte. Gold und Baum schlugen vor, sie zum Röntgen in irgendein Krankenhaus zu bringen, aber ihr anhaltender Protest und eine vorsichtige Untersuchung des Knöchels überzeugten beide, daß wahrscheinlich nichts gebrochen war. Chedva, die mit dem Fuß nicht auftreten konnte, stützte sich auf Gold und Baum, und so gingen alle drei zum Ärztezimmer. Dort verband Baum vor den überraschten Blicken Golds fachmännisch und liebevoll den verletzten Knöchel. Er legte den verbundenen Fuß auf den neben ihm stehenden Stuhl und sagte seufzend, wie gut es sei, daß es einen Notdienst an Ort und Stelle gebe. Er lächelte, zwinkerte ihr zu und fragte, ob sie etwas gegen Schmerzen wolle. Sie verneinte, worauf er ihr mit einer Stimme, die Gold nie zuvor so weich und warm bei ihm gehört hatte, vorschlug, ein Valium einzunehmen. Dazu war sie auch bereit, und als er ihr die kleine gelbe Tablette reichte, verordnete er ihr absolute Bettruhe.
    Sie schüttelte ihren Lockenkopf, brach in Tränen aus und bat, sie nicht allein zu lassen. Da endlich fiel bei Baum der Groschen. Er wirkte ein wenig gekränkt, als er sagte: »Ich dachte, wir sind Freunde. Wieso hast du mir nichts er zählt?«
    Unter Schluchzen antwortete Chedva, sie habe gewußt, daß er sie auslachen würde, weil er nichts von Psychoanalyse halte, sondern nur von Medikamenten. Dann fügte sie hinzu, er solle sich keine Vorwürfe machen, erfahren hätte sie es auf alle Fälle, jetzt sei sowieso nichts mehr wichtig, wobei sie heftiger schluchzte. Baum erhob sich, ging auf sie zu und nahm sie in den Arm, und Gold fühlte sich sehr überflüssig, verließ aber doch nicht den Raum, sondern stand neben der Tür und fragte Chedva, wie lange sie Eva Neidorfs Patientin gewesen sei. »Über ein Jahr und einen Monat«, sagte sie und wischte sich die Augen mit dem Handrücken ab. Er nickte, aber sie merkte nicht, daß auch er ein Leidensgenosse war. Darauf verabschiedete er sich von beiden und verließ das Krankenhaus, um nach Hause zu gehen. Dort, dachte er verzweifelt, würde er die morgendlichen Vorfälle von neuem erzählen müssen.
    Die junge Psychiaterin Dr. Chedva Tamari war der Hauptgrund dafür, daß der Patient Nissim Tobol völlig aus Baums Bewußtsein verschwand. Chedva mußte sich auf das Bett des Ärztezimmers legen, Baum saß neben ihr und hielt ihre Hand bis in die späten Abendstunden, wie er es hoch und heilig versprochen hatte. Die verzweifelten Versuche von Schwester Dvora, ihn über das Haustelefon zu erreichen, mußten scheitern, da er den Hörer vorsichtshalber neben den Apparat gelegt hatte, um Chedva vor jeder Störung zu bewahren. Schwester Dvora versuchte wieder und wieder, ihn anzurufen, sie wagte es nicht, die Station zu verlassen, wo Tobol seit acht Uhr abends auf seinem Bett saß und einen kleinen Revolver auf den Kranken im gegenüberliegenden Bett richtete, einen Revolver, der den unerfahrenen Augen Schwester Dvoras geladen und entsichert erschien. Und da das Telefon genau in Tobols Blickfeld auf dem Schreibtisch der Schwesternstation stand, war eine volle Stunde vergangen, bis die Stationsschwester das Risiko einging und die Telefonnummer des diensthabenden Arztes wählte, indem sie mit den Fingern die richtigen Zahlen ertastete, ohne die Augen von dem Kranken zu lassen. Als aber Tobol einen Schuß in die Wand gegenüber abgegeben hatte und die Kranken, die bis dahin wie erstarrt gewesen waren, zu toben begannen, erhob sie sich, setzte einen Ausdruck auf, der keinen weiteren Unsinn erlaubte, ging gerade auf Tobol zu, nahm ihm ohne Schwierigkeiten den Revolver aus der Hand – er versuchte nicht einmal, sich zu widersetzen – und rannte zum Ärztezimmer.
    Baum hatte die Tür abgeschlossen, als Gold gegangen war. Ihr heftiges Klopfen riß ihn aus tiefem Schlaf und aus Alpträumen von gebrochenen Knöcheln. Er stand auf und öffnete. Verstört von dem Licht, das ins Zimmer drang, als Dvora auf den Schalter gedrückt hatte, sah er zu Chedva, die eben erwachte. Er wollte Dvora fragen, was vorgefallen sei, aber da fiel sein Blick auf ihre Hand und den kleinen Revolver. Sie zitterte am ganzen Körper. Niemand hatte Schwester Dvora je weinen sehen, und die Tatsache, daß sie die Tränen nun nicht mehr halten konnte, und der Zustand ihres blonden Haares, das sie

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