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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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sie gewesen, den sie auskosten würde. Und sie wäre in der Lage, ihn dort einzusperren. Es war unmöglich, die Station von innen zu öffnen, denn in der Margoa-Klinik hatte der Türgriff den unhandlichen Schlüsselbund ersetzt. Innerhalb der Stationen waren die Türen ohne Klinken, was Gegenstand aller möglichen Scherze war.
    Die Klinke befand sich in seiner Tasche, und er betrat die Abteilung, nickte Dvora zu und ging auf Tobols Zimmer zu. Es war das erste Zimmer der Station, noch weitere acht Kranke waren darin untergebracht, die jetzt nicht im Raum waren. Er trat an Tobols Bett, setzte sich auf die Kante und fragte: »Was gibt's, Nissim? Haben wir uns entschlossen, wieder krank zu sein?«
    Tobol lag zusammengekauert unter der Wolldecke und reagierte nicht. Baum berührte seine Hand, sie war trocken und heiß. »Ich glaube, Sie haben Fieber. Wollen wir mal sehen.« Er begann, die Wolldecke zu entfernen. Doch Tobol hielt sie mit aller Kraft fest, biß sich auf die Lippen, sein Körper verkrampfte sich in der Haltung eines Embryos. Baum gelang es nicht, die Decke zurückzuschlagen. Er sah auf seine Uhr und sagte, daß er bald wiederkomme, und dann sei Tobol vielleicht bereit, sich vernünftig zu verhalten. Bevor er die Station verließ, bat er Dvora, nach Tobol zu sehen. »Tun Sie mir den Gefallen. Er hat Fieber. Ich gehe nur eben essen. Sehen Sie nach ihm, ja?« Damit verließ er die Abteilung.
    An dem Zaun, der die Klinik umgab, blieb er stehen und betrachtete die Straße. Er sah die parkenden Autos zu bei den Seiten der Gehsteige, schnitt eine Grimasse und betrat den Speisesaal. Dr. Chedva Tamari, die Diensthabende Ärz tin, die er sehr gern hatte, stand in einer Ecke und aß eine Scheibe Brot, die mit einer Masse bestrichen war, die ihm Übelkeit erregte. »Wieder diese rote Konservenmarme lade?« fragte er, und ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Sag mal, hast du auch die Autos draußen gesehen? Veranstalten die wieder eines ihrer samstäglichen Gelage, diese Verrückten?«
    Chedva deutete auf ihren vollen Mund, kaute zu Ende und entgegnete, während sie eine zweite Scheibe bestrich: »Wie soll ich das wissen? Ich habe Dienst. Ich habe nicht einmal die Nase hinaus gesteckt. « Baum wußte, daß es der zweite Sabbat hintereinander war, an dem Chedva Dienst hatte; es wunderte ihn daher nicht weiter, daß sie gereizt war. Lächelnd sagte er: »Du brauchst mir ja nicht gleich den Kopf abzureißen. Ich habe doch nur gefragt. Ich dachte, du wüßtest das, es sind doch deine Freunde, nicht?«
    »Du weißt sehr gut«, flüsterte Chedva beleidigt, »daß ich noch nicht aufgenommen worden bin. Und das habe ich dir nicht erzählt, damit du dich laut darüber lustig machst.«
    »Gut, gut, ich bitte um Entschuldigung. Sei doch nicht gleich eingeschnappt«, entschuldigte sich Baum eilig. »Aber dort stehen wirklich eine Menge Autos. Sieh nur.« Wäh rend der letzten Worte schaufelte er sich eine Portion von etwas, das wie labberige Makkaroni mit Ketchup aussah, und eine Art Fischklops auf den Teller. Er aß schnell und versuchte, den Geschmack zu ignorieren. Nach einem Teller war er unfähig, noch mehr von dem »klebrigen Zeug« zu essen; verließ den Speisesaal, kam bis zum Pförtnerhäuschen am Krankenhauseingang und ging zögernd hinaus in die Sonne.
    Er sah die Straße, die man von dieser Stelle aus bis zu ihrem höchsten Punkt überblicken konnte, kehrte beinahe im . Laufschritt zum Pförtner zurück und fragte aufgeregt: »Sagen Sie, haben Sie all diese Polizeiwagen gesehen? Ist etwas geschehen?«
    Der Pförtner, ein Pensionär, der seinen Posten den ganzen Morgen nicht verlassen hatte, außer zu einem Rundgang im Krankenhaus, stand im Türrahmen. »Nein, keine Ahnung, Dr. Baum. Ich sehe die Polizei schon seit einigen Stunden durchs Fenster, aber ich habe mit niemandem gesprochen.«
    Baum verließ die Klinik, ging bis zum Institut hinauf, überquerte den schmalen Fahrdamm und wandte sich an den Polizisten, der vor einem Streifenwagen stand: »Entschuldigen Sie bitte, ist etwas passiert?«
    Der Polizist bat Baum, weiterzugehen. Erst nachdem Baum sich als Diensthabender Arzt der nahe gelegenen Kli nik vorgestellt hatte und dem Polizisten vorschlug, das beim Krankenhauspförtner zu überprüfen, erklärte der, ein Unfall sei geschehen. Baum wollte nachhaken, aber das Gesicht des Polizisten war verschlossen, als habe er endgültig beschlossen, kein weiteres Wort mehr zu sagen. Baum ging wieder die Straße hinab,

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