Denn am Sabbat sollst du ruhen
immer aufgesteckt trug und das jetzt zerzaust war, ließen auf eine Katastrophe schlie ßen. Sie begann, ihm Vorwürfe zu machen, sie könne die Abteilung nicht alleine halten, wo er denn die ganze Zeit gewesen sei, und endlich schrie sie auch, daß sie sich denken könne, womit der ehrenwerte Doktor beschäftigt gewesen sei – wobei sie auf Chedva deutete –, sie könne sich vorstellen, weshalb das Telefon im Zimmer des diensthabenden Arztes besetzt war, als Tobol mit geladenem Revolver auf die Kranken der Abteilung zielte.
Baum wartete das Ende der Rede nicht ab. Er rannte los, während Dvora noch schreiend in der Tür stand.
Als er von draußen die üblichen Geräusche hörte und das Licht brennen sah, begann er, sich zu beruhigen.
Er trat ein, zählte die Kranken und atmete auf, als er sah, daß alle anwesend waren. Tobol saß in einer Ecke des Bettes und starrte vor sich hin, als sei nichts geschehen. Baum sah sich um. Allem Anschein nach benahmen sich die Kranken wie gewöhnlich. Ein Außenstehender, dachte er, der die Zeichen von Spannung und Angst nicht zu lesen verstand, hätte vielleicht Dvora verdächtigt, die ganze Geschichte erfunden zu haben. Aber er war kein außenstehender Beobachter. In seiner Hand befand sich ein kleiner Revolver und um ihn herum eine ganze Abteilung an der Schwelle des Aufruhrs.
Er kehrte in das Ärztezimmer zurück. Dvora stand noch in der Tür, Chedva schlief wieder. Dvora weigerte sich, auf die Station zurückzukehren, bis Baum ihr schließlich mit einem so autoritären Ton, wie man ihn bis dahin nie von ihm gehört hatte, sagte, daß sie mit ihm auf die Abteilung gehen werde, und zwar sofort, denn dort seien Kranke, und die Situation dulde keinen Aufschub. »Seht nur, wer da spricht«, murmelte sie, folgte ihm aber protestierend und beantwortete schließlich seine Fragen nach dem genauen Hergang der Ereignisse.
Die Kranken wurden zusehends unruhiger, zu viele Ängste und Spannungen hatten sich aufgestaut. Baum und Dvora mußten mit vereinten Kräften zwei Rasende beruhi gen, nach der Spritze rollten sie sich auf ihren Betten zusam men. Dann wandte sich Baum Tobol zu und setzte sich auf die Kante seines Bettes. Im nebensächlichsten Ton fragte er ihn, wie der Revolver in seine Hände gelangt sei. Tobol, der in embryohafter Stellung dalag, wandte ihm nicht einmal den Kopf zu, als hätte er nichts gehört. Baum zog den Revolver aus der Tasche, den er Dvora abgenommen hatte, schwenkte ihn vor Tobols Augen und wiederholte seine Frage. Keine Reaktion. Baum seufzte und erhob sich vom Bett. Da begann Tobol zu schreien.
Er schrie wortlos, und sogar Baum, der solche Ausbrüche bereits gewohnt war, erstarrte, so tierisch und furchterregend waren die Schreie. Die Kranken begannen zu toben, die Symptome eines jeden drückten sich in einer Stärke aus, die schnelle Maßnahmen verlangte. Dvora konnte Schlomo Cohen daran hindern, sich auszuziehen, rief aber Baum zu Hilfe und schrie, daß er Riesenkräfte habe. Baum hielt ihn mit Gewalt fest, und Dvora bereitete die Spritze vor. Anschließend gaben sie auch Tobol eine Spritze in den Arm. Und dann wurde Baum von Jizchak Zimmer angefallen, der für seine unbezähmbaren Zornausbrüche bekannt war. Zimmer stürzte sich von hinten auf ihn, und Baum konnte sich nicht bewegen, er mußte noch Tobol festhalten, dem Dvora eine Spritze gab. Zimmers riesige Hände würgten seinen Hals, und er fühlte, daß er nicht mehr atmen konnte. Aber da gelang es Dvora mit ungeahnten Kräften, die Spritze in Zimmers Arm zu setzen. Schon der Anblick der Spritze erschreckte Zimmer, und er lockerte den Griff um Baums Hals, der zu Boden stürzte und das Bewußtsein verlor.
Als er erwachte, sah er, daß neben dem Bett, auf dem er lag, der Direktor des Krankenhauses, Professor Gruner, und zwei Männer standen, die er nicht kannte. Er wollte etwas sagen, brachte aber nur ein Flüstern heraus. Der Direktor sagte väterlich: »Strengen Sie sich nicht an. Sie sind in meinem Zimmer, auf der Abteilung ist alles in Ordnung, auch Sie sind in Ordnung, werden in Ordnung kommen. Hier sind Leute von der Polizei, die wissen wollen, was geschehen ist. Ich habe sie wegen des Revolvers bestellt, nicht wegen des Aufruhrs auf der Station. Sie haben einige Fragen. Mit Dvora haben sie schon geredet, auch mit Chedva.«
Eine Gestalt erschien von hinten und stellte sich an seine Seite. Chedva, mit roten, geschwollenen Augen, streichelte seine Hand. Die große Wanduhr zeigte, daß es
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