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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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besonders nahe stehe und Tami beinahe zur Familie gehört, habe ich mich freiwillig gemeldet, das Fest zu geben. Es war wirklich keine Überraschungsparty, und alle bemüh ten sich zu kommen. Die Beliebtheit eines Kandidaten läßt sich durchaus an der Zahl der Mitglieder ablesen, die zur Party kommen. Aber es werden auch Außenstehende eingeladen, wenn auch nur wenige und nur enge Freunde. Bei Tamis Party war das nur Joav, ein wirklich guter Freund. Eigentlich habe ich über Joav Tamis Bekanntschaft gemacht. Das ist ein merkwürdiger Zufall: Joav ist derjenige gewesen, der mir den Revolver gekauft hat, im Jahre 1967. Aber«, Linder lächelte verschlagen, und sein Gesicht war weniger bleich, »außer durch die Freundschaft zu Tami hat Joav keinerlei Beziehung zum Institut. Er glaubt, daß das alles Unsinn ist.«
    Michael fragte Linder, wen er vom Institut aus angeru fen habe.
    »Ja, das war Joav. Er ist ein guter Freund, und ich hatte ihn zu Würstchen und Bier eingeladen, um den Geschmack der Vorlesung und der Sitzung vom Sabbatmorgen runterzuspülen. Aber in Anbetracht der Umstände mußte ich absagen.« Plötzlich wurde Linder klar, daß Michael gefährlich war. »Wieso erinnern Sie sich daran?«
    »Haben Sie, Dr. Linder, etwa ein schlechtes Gedächtnis, wenn es um eine Information im Zusammenhang mit dem traumatischen Erlebnis eines Patienten geht?«
    Linder lachte laut und sagte, niemals habe er die beiden Bereiche – Verbrechensaufklärung und Analyse – als verwandt betrachtet, aber es sei etwas daran.
    Wieder griff Michael nach dem Kugelschreiber und fragte, wer auf der Party war.
    »Ich könnte die Namensliste jetzt mühsam rekonstru ieren, aber ich habe ein Verzeichnis in meiner Praxis liegen.« Sarkastisch fügte er hinzu: »Wenn es mir irgendwann möglich sein sollte, dorthin zu gelangen, freue ich mich, behilflich zu sein.«
    »Warum haben Sie ein Verzeichnis? Es ist doch eigentlich nicht üblich, Namen von Partyteilnehmern aufzuzeichnen, nicht wahr?«
    »Aber das war ja keine Tanzparty, obwohl wir gegen Ende auch getanzt haben. Es war eine Art offizielle Angelegenheit, und Tami hat mir die Namen der Leute diktiert, die sie einladen wollte.«
    Michael erhob sich. »Wir gehen jetzt den Revolver identi fizieren. Sie können ihn vorläufig nicht zurückbekommen.«
    »Ein wichtiges Indiz?« fragte Linder wie ein kleines Kind, und Michael fing an, ihn zu mögen.
    »Danach fahren wir zusammen in Ihre Praxis, um dort die Liste der Partygäste durchzugehen.«
    Sie fuhren mit Michaels Polizeiauto, was bei Linder eine kindliche Freude erregte, deren Ursache – erklärte er – der Wunsch sei, die guten Bürger Rechavias in ihrer Ruhe zu stören.
    Die Praxis befand sich in der Ben-Maimon-Straße, und Michael hätte ihm im Voraus die Möblierung beschreiben können. Linder hörte nicht auf, seine Verwunderung über die Wege des Schöpfers zu murmeln, weil der Revolver, den sie gefunden hatten, wirklich seiner war. An der Tür hing der Zettel, den Linder per Telefon diktiert hatte – seiner Praxisteilhaberin, wie sich herausstellte. Auf Michaels Frage antwortete er, daß seine Teilhaberin noch Kandidatin sei, sie stehe aber kurz vor der Anerkennung durch die Unterrichtskommission. »Ich bin der einzige unter den älteren Analytikern, der keine Rangunterschiede macht. Ich sehe für meine Praxis nichts Nachteiliges in der Mitarbeit einer Kandidatin am Ende ihrer Ausbildung. Allerdings hat sie damit erst begonnen, als sie keine Supervision mehr von mir erhielt. Ich kann nichts Schlechtes in einem engen Kontakt zu meinen Kandidaten erkennen. Außerdem ist sie so schön, daß es schade wäre, sie nicht – wenn möglich – täglich zu sehen.«
    »Und was ist mit den Patienten?« fragte Michael.
    »Das ist eine andere Geschichte. Aber auch was die Behandlungsmethoden betrifft, bin ich, im Vergleich zu Hildesheimer, ein ausgesprochener Abweichler.«
    Sie setzten sich auf die beiden Stühle, zwischen ihnen stand ein kleiner Tisch, auf dem sich Papiertaschentücher und ein Aschenbecher befanden. In der Ecke stand eine Couch, davor lag eine Gummimatte. Hinter der Couch stand der Analytikersessel. Die Bilder hatten gedeckte Farben, der Schreibtisch war schwer und dunkel.
    Michael fragte sich, ob die Regeln zur Möblierung des Behandlungszimmers in irgendwelchen Satzungen festgelegt waren. Die persönlichen Unterschiede zwischen den Analytikern ließen sich nur an den im Raum vorherrschenden Farben erkennen. Hier war die

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