Denn am Sabbat sollst du ruhen
völlige Herrschaft über ihre Reaktionen. Außerhalb der Arbeitsstunden geht es ihnen nicht besser als jedem anderen, der verhört wird.
Er unterbrach Linder, der sich gerade über die Beziehung zwischen Eltern und Kindern im allgemeinen verbreitete, und fragte ihn: »Hat Sie jemand mit dem Kind gesehen?«
Linder sagte, daß es im Haus nur vier Parteien gebe. Er wisse nicht, ob jemand aus dem Fenster geschaut habe.
Michael erhob sich, sagte: »Einen Moment, bitte«, und verließ den Raum. Er fand Zila im Zimmer nebenan, wo die morgendliche Lagebesprechung abgehalten wurde. Mi chael diktierte ihr die Telefonnummer von Linders Frau, die im Museum arbeitete. »Frag sie, was er am Freitag abend und Samstag früh getan hat. Nimm diesen Bogen hier. Das ist seine Version. Anschließend erkundige dich bei den Nachbarn. Besorg dir ein Auto, du mußt zum Mu seum und von dort nach Arnona. Ich will, daß die Nach barn befragt werden, bevor er nach Hause kommt.
«Dann kehrte er in sein Zimmer zurück. Dort saß Linder auf seinem Platz und starrte vor sich hin. Michael setzte sich energisch auf seinen Stuhl hinter dem Tisch und fragte Linder, wie seine Beziehung zu Dr. Neidorf gewesen sei.
Linder wurde vorsichtiger und wählte seine Worte sehr genau. Es war erkennbar, daß er das Thema für sich bis zum Überdruß behandelt hatte und zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen war. Schließlich gab er zu, daß er nicht zu ihren Bewunderern gehörte.
»Und wie standen Sie zu der Tatsache, daß Dr. Neidorf aller Wahrscheinlichkeit nach Hildesheimers Platz im Vorsitz der Ausbildungskommission übernommen hätte?«
Linder brach in Gelächter aus. Er beglückwünschte Ochajon zu seinem Gespür für soziale Zusammenhänge. Aber man dürfe nichts überbewerten. Die Unterrichtskommission sei sehr wichtig, dort werde die Politik des Instituts in Wirklichkeit gemacht, aber man ermorde niemanden, um an diesen Posten zu gelangen. »Außerdem«, fügte er ernster hinzu, »glaube ich nicht, daß ich in Zukunft als Mitglied in die Kommission gewählt werde – auch ohne Neidorf als Vorsitzende.«
Michaels prüfender Blick nahm einen Anflug von Verbitterung auf seinem Gesicht wahr. »Warum eigentlich nicht?«
Linder atmete tief ein und seufzte. Er meinte, daß es interne Differenzen gebe, die mit dem Beruf zusammenhingen und schwer zu erklären seien. Er wolle es dabei belassen, aber Michael kannte seinen Gesprächspartner inzwischen gut genug, um einfach zu schweigen. Linder, der die Stille nicht ertragen konnte, ließ sich zu einer ausführlichen Schilderung dessen verleiten, was er »Auseinandersetzungen über fachliche Fragen und ähnliches« nannte zwischen ihm und den »Stützpfeilern des Instituts«, wie er ironisch sagte. Auch der Begriff »Enfant terrible« fiel. Wieder sah Linder auf seine Uhr. »Die Patienten mogen keine plötzlichen Absagen. Das löst Spannungen und überflüssige Ängste aus», erklärte er.
Michael, der spürte, daß er ein wenig auftaute, sagte bedauernd, daß es manchmal nicht anders gehe und schlug vor, zu der Frage zurückzukehren, wann genau der Revol ver verschwunden sei.
Linder beeilte sich, ihn zu korrigieren: Er könne sich keineswegs auf de, genauen Zeitpunkt festlegen. Er könne nur sagen, daß der Revolver in der Nacht vor der Party noch in der Schublade gelegen hätte, seitdem habe er die Schublade nicht mehr geöffnet. Auf Michaels Bitte skizzierte er einen Grundriß der Wohnung und zeigte ihm die Lage des Schlafzimmers.
»Wer wußte, daß Sie einen Revolver besitzen« fragte Michael und nahm den Kugelschreiber auf, legte ihn aber wieder auf den Tisch, als er die Antwort hörte: »Wer nicht?« Joe erklärte, daß er den Revolver mehrmals als Gegenstand von ästhetischem Interesse herumgezeigt habe, und häufiger noch Trabe er von ihm erzählt, von seinem Erwerb und allen Begleitumständen.
Michael bat ihn um die Liste der Partygäste und fragte, was der Anlaß des Festes war.
Nach der Abstimmung über einen Kandidaten, der sei nen Fall vorgestellt hat, ist es üblich, zu seinen Ehren ein Fest zu geben. Gewöhnlich ist das zuletzt angenommene Mitglied dafür zuständig, und der angenommene Kandidat bestimmt die Gästeliste, die aber im Grunde alle einschließt, vor allem die Mitglieder seines Jahrgangs. Diesmal aber ist es dem vorigen Kandidaten, genauer gesagt der Kandidatin, unmöglich gewesen, die Party zu geben, weil in ihrem Haus nicht genug Platz ist. Und da ich diesem Jahrgang
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