Denn am Sabbat sollst du ruhen
Fotografen und ein Auto für Rafi wegen der Beerdigung?«
Schorr nickte. Michael verließ das Büro und machte sich in der so genannten »Kaffee-Ecke«, einer Nische in der Nähe seines Zimmers, eine Tasse Kaffee.
Es war fünf Minuten vor zehn, als seine Hand nach dem Hörer griff, um Dina Silber anzurufen. Aber noch bevor er abnehmen konnte, klingelte das Telefon, und die aufgeregte Stimme Eli Bachars erschallte am anderen Ende der Leitung. Michael wollte ihn bitten, später anzurufen, aber Eli begann ohne jede Vorwarnung zu schreien: »Michael, es gibt keine Akte! Jemand hat sie bereits abgeholt! Du hast doch keinen anderen geschickt, oder?«
»Was soll das heißen, einen anderen? Wovon redest du?« Michael steckte sich eine Zigarette an, seine Hände zitterten und wurden sofort feucht. Er wischte den Schweiß an seinen Hosennähten ab.
»Hier ist nichts! Der Mann sagt, daß die Polizei hier gewesen ist und die Akte verlangt hat. Er hat sich den Empfang sogar quittieren lassen. Ich sag's dir!«
»Moment, Moment, noch einmal, ganz langsam bitte.« Michael sog den Rauch der ersten Zigarette des Morgens ein. »Du sprichst von dem Steuerberater Seligman und Seligman in der Schammaistraße? Bist du dort?«
»Ja, ich bin hier. Seligman und Seligman in der Schammaistraße. Steuerberater. Herr Seligman steht persönlich neben mir. Komm her und überzeug dich. Hier ist keine Akte mehr von ihr, denn jemand war um halb neun heute morgen hier, sagte, er sei von der Polizei, unterschrieb ein Papier und nahm die Akte.«
»Ich komme sofort. Geh nicht weg«, sagte Michael und stürmte in Schorrs Büro. Dieser blickte ihn verblüfft an und sagte schroff, er habe niemanden gerufen, was ihm einfiele und was los sei. Michael erklärte, was geschehen war und rannte hinaus. Die Strecke vom Russischen Platz bis zum Büro des Steuerberaters legte er im Laufschritt zurück. Er kam schwer atmend dort an, seine Muskeln zitterten. Die Leute im Institut hätten ein Wort gehabt für seinen Zu stand: Panik.
Seligman Senior saß bleich hinter seinem Schreibtisch und senkte den Kopf vor Inspektor Ochajon. Mit schwerfälligem polnischen Akzent wiederholte er immer wieder: »Aber wir hatten abgemacht, daß jemand kommt und die Sachen abholt. Wie sollten wir wissen, daß es kein Polizist war? Der Herr Inspektor kann sich an Smira wenden, sie hat sich den Empfang quittieren lassen.«
Es war unmöglich, den Redefluß aufzuhalten, der alte Steuerberater versuchte energisch zu beweisen, daß er frei von Schuld sei.
Michael wurde unweigerlich an Josek erinnert, auch der Akzent war derselbe: Er sprach stets ein »ch«, wo ein »h« sein sollte. »Gleich wird er noch verlangen, daß ich mich entschuldige«, dachte er ärgerlich, »aber dann kriegt er eine Entschuldigung, die er nicht so schnell wieder vergißt. Gott! Wie blöd sind sie alle!«
Eli Bachar stand mit einem Gesicht wie saure Gurken in einer Ecke des Raums und blätterte in einer vier Jahre alten Steuerkarte, obwohl ihm Seligman Junior wiederholt erklärte, daß er dort nur den Einkommensteuerbescheid, aber keine Quittungen finden werde.
Smira, eine junge Rothaarige, die enge Jeans, einen noch engeren Pullover und roten Nagellack trug, knackte mit den Fingergelenken und kaute unaufhörlich an einem pinkfarbenen Kaugummi, der ab und zu zwischen ihren Zähnen hervorlugte. Mit zitternder Hand reichte sie Michael den Zettel. Dort stand handschriftlich: »Ich habe von den Steuerberatern Seligman und Seligman die Einkommensteuerkarte von Eva Neidorf erhalten und verpflichte mich hiermit, sie dem Büro vollständig zurückzugeben.« Als Unterschrift waren einige unleserliche Buchstaben zu sehen.
Michael steckte den Zettel in seine Manteltasche. Seligman Senior beteuerte unermüdlich, daß so etwas nie vorgekommen wäre, wenn er selbst im Büro gewesen wäre. Er habe in seinem ganzen Leben noch nichts mit der Polizei zu tun gehabt, weil er ein ehrlicher Bürger sei. Die Akte habe er vorbereitet und am frühen Morgen Smira angeläutet, damit sie ins Büro gehen solle, um der Polizei die Akte auszuhändi gen.
Eli blickte von der Steuerkarte auf und fragte, weshalb er nicht selbst im Büro gewesen sei.
Seligman Senior erklärte, daß er dringend zum Finanzamt mußte, sonst wäre einer seiner Klienten in ernste Schwierigkeiten gekommen. Und sein Sohn, fügte er hinzu, komme immer später. »Aber er geht auch spät. Es ist nicht einfach, von Mevasseret ins Stadtzentrum zu gelangen.« Er
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