Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
verstehen, mit welchen Gefühlen Sie hierher geflogen sind. Und dann kam noch Ihre Tante mit der ganzen Geschichte he raus, dass es da einen leiblichen Enkel gibt. Alles andere als leicht war das für Sie, der doch sowieso schon zitterte, dass sie als Täter des illegalen Handels auffliegen. Und jetzt stand noch Ihre Stelle in der Familie und als Nachfolger in der Firma auf dem Spiel.«
Sie machte eine Pause, wartete auf einen Kommentar von ihm. Aber er pres ste nur die Lippen fest aufeinander, ein schmaler Strich Rosa in einem blassen Gesicht.
»Und als Sie das Foto von Sven sahen – wie fühlten Sie sich da? Und g enauer noch – was fühlten Sie da? «
Jetzt räusperte er sich doch.
»Was soll ich denn gefühlt haben? Klar war ich nicht begeistert. Sogar entsetzt. Alles lief schief. Einen kurzen Augenblick dachte ich sogar, dass das die Strafe ist für mein schäbiges Handeln in der Firma. In dem Moment begriff ich, dass ich alles falsch gemacht habe. Mich zu wenig eingebracht, an das schnelle Geld gedacht habe. Nur das war wichtig. Ich starrte auf das Jungengesicht, das noch so unbeschrieben war. Er hatte noch alles vor sich! Es nahm mir fast die Luft.«
Pause.
»Und dann haben Sie beschlossen ihn zu töten.«
Der Satz hing in der Luft, erfüllte den Raum. Bob sah sie entsetzt an.
»Was? To kill him? No! Ich habe niemals daran gedacht. Mir gewünscht, es gäbe ihn nicht, ich würde morgens aufwachen und alles wäre nur ein böser Traum. Das ja. Aber töten? Nein. Und ich habe ihn doch noch nicht einmal gesehen! «
»Genau darum geht es, Bob. Ob Sie ihn schon einmal gesehen h aben, zum Beispiel dort oben auf der Piste in Saalbach-Hinterglemm. Wo waren Sie am Dienstag, den 7. Dezember von, sagen wir mal, neun Uhr bis zwei? «
Bob starrte sie entgeistert an.
»Auf der Piste in Saalbach-Hinterglemm? Ich war in München, das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich war dort bei einem Freund. Wie sollte ich denn Sven auf der Piste getroffen haben? Das ist doch absurd! «
Vielleicht hatte er ja recht und es war wirklich ein etwas überdrehter Gedanke. Trotzdem – möglich wäre es gew esen und sie traute ihm das absolut zu. Zumal er ein starkes Motiv hatte den Jungen auszuschalten.
Bob schwitze inzwischen stark. Er zog ein sauber gefaltetes T aschentuch aus Stoff aus der Hosentasche und wischte sich damit über Stirn und Nase. Dann sah er sie hilflos die Schultern zuckend an.
»Sie müssen mir glauben.«
»Würde ich ja gern, Bob. Aber nach den Lügen bei der Holzgeschichte fällt mir das nicht ganz leicht. Am besten, ich rufe Ihren Freund einfach an, damit er mir das bestätigt. Wie heißt er? «
Bob schüttelte den Kopf. »Das kann ich Ihnen wirklich nicht s agen.«
Jetzt verlor Lene die Geduld. Schluss mit Guter Bulle. Ihre Stimme klang klirrend eiskalt. »Wieso nicht? Das muss jetzt aber schon ein sehr guter Grund sein, sonst bleiben Sie einfach hier in Haft. Jetzt reicht es.«
»Aber, aber ich kann doch nicht – es ist ein Geschäftsfreund. Der will sicher nicht mit der Polizei in Kontakt kommen. Das würde er mir nie verzeihen.«
»Und ich verzeihe Ihnen nicht, wenn Sie mir nicht augenblicklich seinen Namen sagen. Oder ist es der Partner bei Ihren krummen Geschäften? «
Bob sah sie lange an. Traf auf die Härte ihres Blicks, schien ihn a bzutasten. Schließlich nickte er zögernd.
»Können Sie dafür sorgen, dass das nicht mit dem Deal in Kanada in Ve rbindung gebracht wird? «
Lene staunte über seine Naivität. Geheim halten in einem Mordfall? Machte Kanada auch Absprachen mit Ang eklagten wie die USA? Na, noch war er kein Angeklagter.
»Sagen wir so. Direkt mit dem Mord hat die Geschichte bei Ihrem Onkel nichts zu tun. Dann wird es vielleicht möglich sein, die geschäftliche Verbi ndung draußen zu lassen. Also - «, sie unterbrach sich und beugte ihren Oberkörper zu ihm, während sie seinen Blick festhielt, »wie heißt er? «
»Konrad Wellner. Er hat sein Büro in der Schellingstraße. Und ich habe die beiden Tage bei ihm gewohnt, in der Schleißheimerstraße 136. Hier ist seine Telefonnummer, sie können ihn fragen. Wir waren die ganze Zeit zusa mmen.«
Lene kniff etwas die Augen zusammen, sie hatte plötzlich das Gefühl von Kopfschmerzen. Nach wenigen Seku nden waren sie jedoch weg. Hatte sie das nicht neulich schon einmal gehabt während einer Vernehmung? Sie musste mehr auf sich achten, auf ihre Gesundheit, nahm sie sich vor.
»Gut, wir werden das überprüfen. Jetzt will
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