Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
und stürmisch. Schneite es? Ganz vorsichtig drehte sie sich um ihre Achse auf ihn zu. Mike.
Ein Staunen, tiefe Freude, und Liebe, die sie wie eine Welle erfas sten. Er war da. Wieder hatte sie nach dem gemeinsamen Sommer in Südfrankreich vor eineinhalb Jahren quälend lange auf diesen Besuch gewartet. Ihn herbeigesehnt. Fast drei Jahre gab es diese Liebe nun schon. Nur in großen Abständen zu leben.
So wie jetzt. Die Enttäuschung, dass ihr Chef sie nicht nach Kalifornien ha tte fliegen lassen, war vergessen. Der Groll auf die beiden ausgefallenen Kollegen – wegen Krankheit und Schwangerschaft – als kindisch erkannt und ad acta gelegt. Die Vorweihnachtszeit und das Fest zusammen mit Mike hier in dieser bis zum Kitsch in Rauschgold und Lebkuchen versinkenden Stadt; das hatte was, wenn man verliebt ist, gestand sie sich ein.
Lene Becker, für eine Kriminalkommissarin reichlich gefühlsduselige G edanken, ermahnte sie sich selbst. Aber auch das war ihr egal. Nur eins war wichtig. Mike war da. Kein Mordfall in San Francisco war dazwischen gekommen, der Captain Mike Fuller unabkömmlich gemacht hätte wie im letzten Sommer. Und Nürnbergs Mörder hatten gefälligst auch Weihnachtspause zu machen. Das hatte sie sich innerlich von der Stadt erbeten.
Schneite es wirklich? Sie hatten es im Radio angekündigt, aber b evor er nicht fiel, glaubte nach den letzten Jahren keiner mehr an den Schnee vor Ende Dezember. Sie kniff die Augen gegen die Dunkelheit draußen zusammen. Das Fenster ging in ihren Garten hinaus, keine Straßenlaterne ließ etwas erkennen. Trotzdem, sie spürte den Schnee – irgendwie.
Eine Lautlosigkeit lag in der Luft. Gibt es das überhaupt, fragte sie sich. In der Luft liegende Lau tlosigkeit? Sie grinste in sich hinein. Kuschelte sich an den vertrauten Männerkörper, der ihr sofort ohne aufzuwachen antwortete. Seine Wimpern sind immer noch so unglaublich lang, dachte sie zärtlich. Hinter ihm, dicht an seine Beine gekuschelt, schlief Perugio, ihr Main Coon Kater, der Mike sofort in sein weites Herz geschlossen hatte.
In dem Moment hörte sie das Telefon. Trotz des polyphonen ang enehmen Klangs hätte sie es am liebsten an die Wand geworfen.
Sie sprang aus dem Bett. Es war Sophie, ihre Tochter. Sie konnte in Hamburg nicht wissen, wie ihre Mutter in Nürnberg gerade den Sonntagnachmittag – oder war es schon Abend? - verbrachte. Sie hätte sich sicher gefreut, lächelte L ene in sich hinein, während sie Sophies Schilderungen von der Vernissage am Morgen zuhörte. Die Galerie, in der sie arbeitete, hatte die Bilder eines bereits bekannten jungen Malers ausgestellt, von dem Sophie jetzt beeindruckt erzählte. Dabei war Lene ans Fenster getreten. Es schneite! Dicke tanzende Flocken. Unten im Garten war schon alles mit einer dichten Schneedecke überzogen. Perugio war ihr gefolgt und strich verschlafen um ihre Beine. Sie nahm ihn hoch, und auch er sah fasziniert in die wirbelnde Weiße dort draußen.
»Es schneit, Sophie! Ganz dick. Ich muss unser Gespräch jetzt u nterbrechen und meinen Kalifornier wecken. Es sieht so toll aus! «
»Ja, bei euch«, maulte Sophie neidisch. »Hier ist mal wieder grauer Nieselr egen. Also, wir telefonieren morgen. Grüß Mike von mir. «
Lene öffnete leise das Fenster und lauschte in den Garten. Nahm die Stille in sich auf. Sie setzte Perugio ab, sa mmelte vom Fensterbrett etwas Schnee und lief zum Bett. Legte die kalten Schneeflocken auf Mikes Lippen, wo sie gleich zu tauen begannen. Mike zog sie an sich.
»Es schneit. Wach auf, du Murmeltier! Keine Zeit jetzt für Liebe. Das musst du sehen! «
Er kam aus dem Bett und umarmte sie von hinten. Der Schnee wirbelte vor ihnen durch die Dunkelheit. Wieder klingelte das Telefon. Sicher war Sophie noch etwas eingefallen.
»Lene – tut mir Leid wegen Sonntag und deinem Besuch. Aber wir haben e ine Tote, offenbar Mord. «
»Wo? « Sie wusste wo das war. Am Spittler Tor. »Ich komme.«
Als sie sich umdrehte, sah sie, dass Mike ebenfalls verstanden hatte und sich bereits anzog. Er fuhr sich mit beiden Händen durch das dunkle Haar und lächelte sie von seiner Höhe von über einmeterachtzig entwaffnend an. »Ich komme mit.«
Sie wollte schon protestieren, als sie ihre erste Begegnung damals vor drei Jahren im San Francisco Police Department vor sich sah. Sie hatte den fre mden Detective Mike Fuller gebeten, die Ermittlungen im Mord an ihrer siebenundzwanzigjährigen Cousine und ihrem Verlobten, die kurz vor der
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