Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
uns sympathisch. Sie war eine sehr beeindruckende Frau. Ich verstehe nicht …« Er schluckte, so dass Lene seinen Adamsapfel hervortreten sah. Dann riss er sich wieder zusammen.
»Ich kann es einfach nicht anders sagen. Sie ließ einen immer ve rgessen, dass sie schon älter war. Sie war Lehrerin. Ist jetzt seit fast zwei Jahren pensioniert. Und ihren Enkel – weiß Sven überhaupt schon, dass seine Großmutter tot ist? «
Da hatte sie gleich die Antwort auf ihre nächste Frage. Ihr Enkel also. Sven.
»Er war nicht in der Wohnung. Wissen Sie, welchen Tagesrhythmus er hat? Obwohl, heute ist Sonntag und -«
»O Gott, er wollte heute mit seiner Klasse eine Woche zum Skifa hren. Nach Österreich, soweit ich mich erinnere. Und ich weiß absolut nicht, wie Sie ihn erreichen können. Für ihn ist das hier schrecklich. «
»Ist er noch Schüler? Und wie alt? «
»Ja, er ist Schüler, geht aufs Abi zu, aber erst im nächsten Jahr. Mir fällt nicht ein, wie seine Schule heißt. Irgendwo in der Nähe der Pegnitz. In St. Johannis, glaube ich. Ich – o Mann, ich bin einfach blockiert. «
Er verbarg sein Gesicht in seinen Händen. Lene wartete, bis er sie wieder a nsah. Er nahm seine Brille ab, die beschlagen war. Unsicher blickende Augen, die immer noch das Alles-nicht-Fassen-Können widerspiegelten.
»Das finden wir heraus.Vielleicht das Heinrich Heine Gymnasium?«
Er nickte erleichtert. »Das – ich glaube ja.«
»Wissen Sie, warum Sven bei seiner Großmutter lebt? Hat er keine Eltern mehr? Oder wegen der Schule vielleicht?«
»Nein, nicht wegen der Schule. Seine Eltern sind tot. Sein Vater war der Sohn von Frau Merthens. Seine Frau ist bei einem Verkehr sunfall getötet worden, als Sven noch sehr klein war. Und seitdem lebt er schon bei seiner Großmutter, da ihr Sohn Wolf - mein Vater heißt auch so, deshalb habe ich mir den Namen gemerkt - der Ingenieur war, viel auf Auslandseinsätzen in Asien arbeitete. Er ist dort vor einiger Zeit tödlich verunglückt, auf seiner Baustelle. «
»Hat sie noch weitere Angehörige? Außer Sven meine ich. «
»Ja, da ist noch eine Tochter. Die wohnt in Bamberg, soviel ich weiß. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder, aber ich weiß ihren Nachnamen nicht. Sie heißt Rike. «
»Das finden wir heraus. Vielen Dank, Sie haben uns sehr geholfen. Ko mmen Sie jetzt erst einmal zur Ruhe. Nur noch eins. Wie haben Sie die Tote gefunden? Ich weiß, dass Sie das schon meinem Kollegen geschildert haben, aber ich wüsste es auch gern von Ihnen. «
Er war jetzt ruhiger. Berichtete ihr genau, wie er nach Hause g ekommen war. Sein Bericht deckte sich mit dem, was er schon Kalle gesagt hatte.
»Danke, Das war eine sehr präzise Aussage. Was sind Sie von B eruf, Herr Klahr? «
»Auch Ingenieur, bei Siemens. «
Lene verabschiedete sich und gab ihm ihre Karte.
»Falls Ihnen noch etwas einfällt. Ganz wichtig ist jetzt erst einmal herausz ufinden, wo sich Sven aufhält. Wissen Sie zufällig, wann er heute losgefahren ist? «
»Nein, ich war seit gestern nicht mehr zu Hause, bis vorhin. Ich war bei me iner Mutter in Altdorf. «
»Bitte haben Sie keine Scheu, uns bei der kleinsten Kleinigkeit anzurufen. A lles kann wichtig sein. Ich melde mich sicher auch noch bei Ihnen. Sie sind doch in der nächsten Zeit in Nürnberg? «
»Ja, erst im neuen Jahr muss ich wieder nach Korea. «
Auf der Treppe fiel ihr auf, wie angenehm dieses Haus wirkte. Die Stufen aus hellglänzendem Marmor, die weißen Wände reflektierten die dezenten Halogenlampen, die alles in ein strahlendes und zugleich warmes Licht tauchten.
Mike stand etwas verloren vor der Wohnungstür. Kalle kam gerade he raus.
»Es ist ihr Enkel«, informierte sie beide. »Und der fluchtartige Aufbruch, den sein Zimmer spiegelt, ist wohl eher dem Packen für eine Klassenfahrt zuzuschreiben. Außer er hat seine Großmutter e rschlagen und ist dann trotzdem nach Österreich gestartet. Möglich ist ja alles. «
Sie hatte wegen Mike Englisch gesprochen. Der lächelte und meinte, dass er sich jetzt einmal die Räume gern ans ehen würde, in denen die Techniker schon fertig seien. Lene ging ebenfalls noch einmal in die Wohnung. Die Leiche war bereits abtransportiert. Mike stellte sich ans Fenster und sah hinaus. Es hatte inzwischen aufgehört zu schneien. Sie stellte sich neben ihn. »Was für ein schöner Blick auf die Burgmauer, den schweren Burgturm und darüber die imposanten angestrahlten Gemäuer«, sagte sie. »Wie friedlich in seiner
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