Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Zeitlosigkeit. «
»Ich hab es gefunden«, rief Kalle in diesem Augenblick. Verwirrt drehte sie sich um.
»Und was? «
Aber da begriff sie schon, was dieses schwarze Buch in seiner behandschu hten Hand bedeutete. Das persönliche Telefonverzeichnis. Unter S fanden sie wirklich Svens Handynummer.
»Was sage ich ihm nur? Es ist völlig blödsinnig und brutal, ihm die Nac hricht vom Tod seiner Großmutter per Telefon mitzuteilen. Auf einer Klassenfahrt zudem. Wir wissen doch gar nicht, was für ein Junge das ist. Ich versuche erst einmal die Tochter zu erreichen. «
Aber weder unter Rike noch unter Frederike fand sie einen Eintrag. Sicher kannte sie die Nummer auswendig. M elanie Merthens hatte ihr Register nach Nachnamen aufgebaut und kaum Vornamen dazugeschrieben. Und sie konnten den Nachnamen von der Tochter Rike erst morgen erfahren.
»Kalle, hast du die Vorwahl von Bamberg im Kopf? «
»Ja, 0951. «
Sie gab Mike das Telefonbuch – nach den dünnen Silikonhan dschuhen, die sie ihm wortlos hinüberreichte. Und bat ihn, die Nummern nach einer Bamberger Vorwahl zu durchsuchen.
Inzwischen wollte sie die Nachbarn unten befragen.
»Hast du oben etwas herausgefunden? «
Aber Kalle hob nur bedauernd die Schultern.
»Eher wenig. Über Klahr wohnt ein älterer Mann, der wohl sehr abgeschieden lebt. Und da er gehbehindert ist, hält er sich zudem wenig außerhalb der Wohnung auf. Er hat jedoch einen schönen, großen Balkon. Mit Frau Merthens hat er nicht so viel Kontakt gehabt, dass er etwas beitragen könnte. Seine Worte. «
Lene klingelte an der Wohnung im zweiten Stock. Eine etwas ve rhuschte Frau, etwa Mitte fünfzig, öffnete.
»Ich dachte mir schon, dass Sie kommen würden. Sie sind sicher von der P olizei. Die arme Frau Merthens. So was Schreckliches! Der Junge tut mir leid. «
Sie hielt kurz inne. Ihr dunkelblondes Haar wirkte strähnig und fiel ihr stä ndig über die Augen. Dann wischte sie es mit der Hand immer wieder fahrig nach hinten, wodurch ein seltsam nervöser Gesamteindruck entstand.
»Er ist vorhin noch aus dem Haus gestürmt wie ein Verrückter. Hätte mich fast umgerannt, als ich den Müll runterbrachte. «
Das war endlich eine Information, die sie brauchte!
»Wann war das? Wissen Sie das noch? «
Frau Bachmayr schaute verdutzt, dann ging ein erkennendes Lächeln über ihr Gesicht.
»Ach, Sie mein’ wegen dem Alibi. Das ist jo aa wichtig. Aber der Junge war es sicher nich. Der hängt so an sana Oma. Also, lassen’s mich überlegn …«
Lene hatte nicht vor, sie daran zu hindern.
»Also mein Mann is mit san Notebook zu san Kumpel, da war ächenda Broblem. Des war um aans. Dann hab iich die Küchn fertig gmecht und den Müll … Des muss so um verdel nach eaans gewen saa. Vielleicht halbe‘d zwaa, « schloss sie, mit sich zufrieden.
Dann konnte es der Junge kaum gewesen sein. Sie atmete auf. Verbrechen, bei denen Jugendliche Gewalt gegen ihre Eltern ausübten, waren ihr immer ein Gräuel. Aber trotzdem musste sie ihn sprechen. Vielleicht, oder sogar wahrscheinlich, wusste er etwas von einem Besuch, den seine Großmutter erwartet hatte. Sie sah wieder die benutzten Teetassen vor sich. Hoffentlich war DNA- Material daran zu sichern gewesen. Wäre nicht schlecht.
»Frau Bachmayr, wissen Sie, wohin er gefahren ist? «
»Wieso, ist er weggfohr’n? Ach, deshalb hat er die Reisedasch’n dabei g’abt! Ich dacht, er wollt’ zum Sport. Ich hab die ja fast obkrieched. Da wär ich sicher auf der Trepp’n gstürzt. «
Hatte sie sich anfangs bemüht hochdeutsch zu sprechen, rutschte sie inzw ischen mit steigender Aufregung wegen der Wichtigkeit ihrer Aussage immer mehr ins Fränkische. Ebenso wie sie ihre Schüchternheit überwand.
»Naa, wo er hii is, waaß ii ned. Sei Schul, die is ächndwo in Joha nnis, maan’ iich. «
»Haben Sie vielleicht sonst noch jemanden im Haus gesehen im Lauf des Nachmittags? «
»Naa, ii war jo bei meina Dochda wia an jedn Sonndoch, zum Kaffee. Imme‘ wenn mei Mo…«
Lene unterbrach sie, bevor Frau Bachmayr das Wochenprogramm absp ulen würde.
»Danke. Da muss ich mal weiter. Können Sie mir noch sagen, wer im Erdg eschoss wohnt? «
»Ja, a Bärle, die san aba net verheirot. Is ja heutzudoch so. Ich soch jo nix, aba…«
»Dann bräuchte ich noch die Namen. «
Sie notierte sie sich.
»Die san aba ned do. Am Wiekänd san die imme‘ draußn bei eara Eldern in Gößweinstein, glaab iich. «
»Und unter Ihnen, im 1. Stock? «
»Da wohn’ de
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