Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
Kleinigkeit. ›Verzeih‹, vielleicht. Oder dass sie mich liebt oder dass sie stolz auf mich ist. Oder so was wie: ›Ich weiß ja, dass es nicht so leicht war.‹ Verstehst du? Das ist so ironisch. Sie hat mich verlassen und ist weggezogen, als ich zwölf Jahre alt war, denn sie hatte einen Mann kennengelernt, der sagte: ›Keine Kinder.‹ Gott, was habe ich versprochen, dass ich nicht zur Last fallen würde. Aber sie …«
Maja warf eine Hand in die Luft hoch und fuchtelte damit herum.
»Ich musste bei meiner Tante und ihrem Mann wohnen. Der war … interessant. Er klebte die Nippessachen an Fensterbänken und Couchtischen an, damit alles genau an seinem Platz stand. Ich vermute, sie bekamen von meiner Mutter Geld dafür, dass sie sich um mich kümmerten. Sie ist irgendwie ihr ganzes Leben lang der Liebe von Männern hinterhergejagt. Und ich … jetzt bin ich alt, aber die Männer waren verrückt nach mir. Doch mir war das immer egal.«
Sie versuchte zu lächeln, mit wenig Erfolg. Es wurde eher eine Grimasse.
»Und der da?« Rebecka warf einen Blick zur Decke hoch.
»Örjan. Der kam eines Tages, um die Wasseruhr abzulesen. Und ist geblieben. Wie ein zugelaufener Hund.«
Sie kraulte Rotzwelpe unter dem Kinn.
»Er weiß, dass ich nicht an die große Liebe glaube«, sagte sie. »Aber Gesellschaft tut gut. Und er kann sehr gut unterscheiden zwischen dem, was er will, und dem, worauf er hofft. Er will, dass wir zusammenwohnen und immer zusammenbleiben, aber er ist gescheit genug, sich keine falschen Hoffnungen zu machen. Er nimmt mich so, wie ich bin. Hofft nicht, dass ich mich ändern werde. Er ist zufrieden. Nett. Ruhig. Das sind verdammt unterschätzte Eigenschaften bei einem Mannsbild.«
Rebecka musste lachen.
»Was?«, fragte Maja und steckte sich an der Glut der ersten eine neue Zigarette an.
»Mein Freund, oder wie ich ihn nennen soll«, sagte Rebecka. »Zufrieden, nett und ruhig kommt ganz unten auf der Liste seiner Eigenschaften.«
Maja zuckte mit den Schultern.
»Was für mich wichtig ist, braucht für dich ja nicht wichtig zu sein.«
Rebecka dachte an Måns. Seine Unruhe, wenn er nach Kiruna hochkam. Seine Unzufriedenheit. Immer hieß es »scheißkalt« oder »scheißviele Mücken.« Die Winter waren zu dunkel und die Sommernächte so hell, dass er nicht schlafen konnte. Die Hunde waren zu dreckig und zu lebhaft. Es war zu einsam und zu still. Die Leute waren zu bescheuert, und das Wasser im Fluss war zu kalt.
Sie hatte immer das Gefühl, ihn unterhalten zu müssen, wenn er kam. Man konnte nicht einfach nur da sein.
»Ich sollte aufhören zu hoffen, dass er sich ändert«, sagte Rebecka.
»Man soll die Hoffnung fahren lassen«, stimmte Maja Larsson zu. »Etwas zu wollen ist etwas anderes, wie gesagt. Wie bei meiner Mutter. Ich will, dass sie das tut, was ich gesagt habe, dass sie meine Hand nimmt und mir sagt, dass sie mich liebt. Aber ich muss aufhören, darauf zu hoffen. Denn es wird niemals passieren. Und wenn ich aufhöre, darauf zu hoffen, kann ich am Ende frei werden, glaube ich.«
»Wie lange hat sie noch? Ich weiß nicht einmal, was ihr fehlt.«
»Ach, ich glaube, es kann jeden Moment so weit sein. Leberkrebs. Und jetzt hat der Tumor überall gestreut. Sie wird intravenös ernährt, uriniert aber fast gar nicht mehr. Also arbeiten ihre Nieren nicht mehr. Und dann … na ja, jetzt brauche ich ein Bier. Bist du sicher, dass du keins möchtest?«
Rebecka lehnte dankend ab, und Maja Larsson nahm eine Dose aus dem Kühlschrank. Sie öffnete sie und trank einen großen Schluck.
Sie schwiegen eine Weile.
»Meine Mutter ist ja auch zu einem neuen Kerl gezogen«, sagte Rebecka.
Sie hörte selbst, wie hart ihre Stimme klang.
»Aber ich habe mich geweigert mitzukommen. Sie schickte ab und zu Ansichtskarten. ›Hier blühen die Apfelbäume.‹ Tirilli, tirilla. ›Dein Brüderchen ist das Süßeste, was es auf der Welt gibt.‹ Kein Wort davon, dass ich ihr fehlte, oder, du weißt schon: ›Wie geht es dir?‹ Stimmt wirklich: Die Hoffnung darauf hat mich am meisten gequält.«
»Das ist ja eben das Schwerste«, sagte Maja Larsson und betrachtete ihr Spiegelbild im dunklen Fensterglas. »Sich mit dem abzufinden, was ist. Wie andere Menschen sind. Wie es in einem selbst aussieht. Man ist traurig. Wütend. Hat Angst. Ist zwischendurch auch mal froh und erleichtert, wenn man Glück hat.«
»Ja«, sagte Rebecka. »Ich sollte jetzt gehen. Damit dein armer Mann sich wieder nach unten
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