Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
würde. Irgendein Durchschnittsmensch mit schräg gelegtem Kopf. »Wie geht es dir eigentlich, Rebecka?« Und irgendeine arme Seele vom Personalrat, die ihr zur Seite stehen musste. Nie im Leben. Da könnte sie auch gleich kündigen.
Und was sollte sie dann tun? Alle schienen zu glauben, die Arbeit in der Stockholmer Kanzlei sei noch immer eine Alternative für sie. Alle, auch Måns.
Aber da gehe ich ein, dachte sie.
Allein der Gedanke an die Kanzlei. Die Hetze unter den Assoziierten, der Druck durch die Teilhaber, die, die Kinder hatten und ihr Leben nicht in den Griff bekamen. Allen ging es so schlecht. Aber die Fassade war alles. Und das Geld.
Ich will hier sein, dachte sie wütend.
Die Sehnsucht, mit jemandem zu sprechen, überkam sie. Sie war selbst davon überrascht. Aber mit wem sprach man über solche Dinge? Sie hatte noch immer eine Freundin in der Kanzlei, Maria Taube. Aber nein, Maria würde bald Teilhaberin werden. Sie war dabei, sich anzupassen. Sie gehörte zu den anderen, begriff nicht, was Rebecka als Staatsanwältin bei den Lappen machte.
Rebecka zog ihre Jacke an und ging die Treppe hinunter. Rotzwelpe wachte auf und wollte unbedingt mit.
Dann fuhr sie mit dem Rad zu Maja Larsson. Es schneite nicht mehr, aber der Schnee lag doch so hoch, dass das Fahren schwer wurde. Ab und zu schlingerten die Reifen, aber es ging.
Rotzwelpe rannte hin und her. Freute sich wie ein Irrer über den vielen Schnee.
D IE L EHRERIN E LINA P ETTERSSON sitzt in Hjalmar Lundbohms Arbeitszimmer und nimmt all ihren Mut zusammen. Er nennt dieses Zimmer seinen Rauchsalon. Sie hat sich hier immer wohlgefühlt. Es duftet nach Zigarren, und bei kaltem Wetter knistert ein Feuer im Kamin.
Gerade war eines der Mädchen da und hat nachgelegt, das Holz spuckt und zischt und spritzt und knallt, und bald fängt es richtig Feuer. Die Flammen schnellen hoch in den Schornstein.
Den Kamin hat sein guter Freund, der Bildhauer Christian Eriksson, gestaltet. Die Säulen der Einfassung zeigen auf der einen Seite zwei nach oben kletternde Bärenjunge, auf der anderen eine Bärin, die mit ihren Kleinen spielt. Im eigentlichen Kamin gibt es drei gusseiserne Platten mit Motiven aus dem Inneren eines Samenzeltes, die mittlere zeigt ein samisches Paar, die beiden anderen spielende Kinder und einen samischen Hütehund.
Elina weiß, wenn die Flammen sich legen und nur noch ein Glutbett mit stiller Flamme brennt, dann scheinen die Bilder zum Leben zu erwachen. Oft haben sie und Hjalmar Lundbohm vor dem Feuer gesessen und gesagt, das seien sie und ihre Kinder, haben Witze darüber gemacht, dass Hjalmar ja so mager geworden sei. Dann wurde er plötzlich ernst und sagte, so wolle er leben, wie die Naturvölker, frei. Und sie sprach über ihre Liebe zu eben der Freiheit, sagte, genau deshalb sei sie Lehrerin geworden. Um sich selbst versorgen zu können. Und von niemandem abhängig zu sein.
Sie erinnert sich an eine ihrer ersten Nächte, als er sie nach ihrer Meinung über die Ehe fragte und sie antwortete: »Nie und nimmer!«
Die Freiheit ist einfach, wenn die Liebe stark ist.
Aber jetzt reicht es ihr mit dieser Freiheit. Jetzt soll er vor ihr auf die Knie fallen. Oder einfach sagen: »Sollten wir nicht …«
Ihr Blick wandert über die Holzwände zu der Hälfte der Wand, die von einem Wandbehang aus Jukkasjärvi bedeckt ist, zu den rotgebohnerten Mahagonimöbeln, dem Tisch mit den gedrechselten Beinen, den Stühlen mit den hohen Rückenlehnen. Was für ein schönes Zimmer. Bei der Einrichtung hat er sich von befreundeten Künstlern helfen lassen. Es sieht so schlicht aus, aber sie weiß es besser.
Auf dem Boden liegen ein Eisbär- und ein Braunbärfell nebeneinander. Vor Kurzem noch hat sie darauf gelegen. Jetzt sitzt sie mit geradem Rücken auf der Bank vor der Wand, als käme sie von irgendeinem wohltätigen Verein, um den Direktor untertänigst um eine kleine Spende zu bitten.
Sie will als seine Gattin in diesem Haus wohnen. Sie will ihn auf seinen Reisen begleiten. Sie und der Kleine, denn sie weiß, dass es ein Junge ist. Sie will Amerika und Kanada sehen. Und wenn sie ihn nicht begleitet, will sie hier zu Hause auf ihn warten, sich sehnen, seinen Schreibtisch benutzen und lange Briefe schreiben, während die Kinder auf der Treppe herumspringen und Flisan in der Küche singt. Das will sie. Ach, und wie sie das will.
Aber sie ist auch stolz. Niemals würde sie sich ihm aufdrängen. Und wenn er, statt ihr einen Antrag zu machen, fragt,
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