Denn Gruen Ist Der Tod
Aufträge von Anklagevertretern oder der Verteidigung. Dieser Gesinnungswandel wurde auch nach außen hin offenkundig, als die Tafel mit den Plaketten aller Polizeieinheiten des Landes auf geheimnisvolle Weise aus der Eingangshalle verschwand, wo sie viele Jahre stolz präsentiert worden war.
Sam war endlich vor der richtigen Tür angekommen. Sie klopfte und spähte auf der Suche nach ihrer Freundin Marcia Evans durch das Fenster. Sie entdeckte sie schließlich am anderen Ende des Labors. Marcia klebte mit ihren Augen an einem Mikroskop, während sie mit der rechten Hand bei jedem neuen Objektträger die Schärfe nachstellte. Als Marcia das Klopfen hörte, drehte sie sich um und sah zur Tür. Sie erkannte ihre Freundin und winkte sie lächelnd herein, dann wandte sie sich wieder dem Mikroskop zu. Sam drückte die graue Klinke herunter und betrat das blitzsaubere, weiße Labor. Marcia hörte sie zwar näher kommen, sah aber nicht von ihrer Arbeit auf.
»Wie komme ich zu dieser Ehre?«
Sie waren befreundet, seit Sam vor einem Jahr nach Cambridge gekommen war. Marcia war zwar wesentlich jünger als Sam, aber das tat ihrer Freundschaft keinen Abbruch, die auf dem gegenseitigen Respekt zweier Kolleginnen basierte. Marcia arbeitete erst seit ein paar Jahren im Institut, aber sie hatte einen scharfen, analytischen Verstand und ein noch schnelleres Auge. Aufgrund ihrer Fähigkeiten war sie schon für eine frühe Beförderung vorgesehen worden, aber sie hatte abgelehnt, denn sie zog das Labor der Verwaltung vor, wo ohnehin nur Papierstapel hin- und hergeschoben wurden.
»Ich komme nur mal vorbei, um zu sehen, wie ihr vorankommt. Und ich wollte fragen, ob du mit mir zu Mittag isst. Du musst mich unbedingt wegen einer neuen Frisur beraten, ich bin meine total leid.«
»Eine neue Frisur? Da steckt doch sicher was dahinter. Gibt es einen neuen Mann in deinem Leben, von dem du mir noch nicht erzählt hast?«
»Leider nicht, Sherlock Holmes, ich brauche nur ein wenig Auftrieb für mein geknicktes Ego.«
»Geknicktes Ego? Das möchte ich bei dir mal erleben. Aber ein Imagewechsel klingt interessant, ich sollte wohl besser mitkommen.«
»Super! Und sonst, hast du etwas Interessantes gefunden?«
Marcia grinste. »Ohne seine Kleider, die ja immer noch gesucht werden, komme ich nicht vorwärts. Ich habe aber trotzdem ein paar interessante Sachen an seinem Körper entdeckt. Willst du mal sehen?«
Sam nickte und sie gingen zu einem Tisch hinüber, auf dem diverse Mikroskope aufgereiht waren. Marcia beugte sich über eines von ihnen, sah durch das Okular und stellte etwas schärfer, bevor sie wieder aufsah. »Sieh dir das mal an.«
Sam spähte hinein und erkannte eine einzelne, dunkelblaue Faser. Sie bestand aus mehreren gewellten Linien wie bei einer natürlichen Faser, also war es vermutlich Wolle. Sie stellte einen höheren Vergrößerungsgrad ein, wodurch sie den Kern der Faser und dessen Struktur erkennen konnte. Bei manchen Stoffen war sie sehr auffällig und kompliziert, aber nicht bei Wolle.
»Dunkelblaue Naturwollfaser«, sagte sie schließlich.
Marcia war beeindruckt. »Wovon?«
»Von einer Jacke oder Hose.«
»Ich finde auch, dass es so aussieht, aber man muss mit der Farbe vorsichtig sein. Unter diesem starken künstlichen Licht zeigt sich die wirkliche Farbe, ein sehr kräftiges Dunkelblau. Aber bei normalem Tageslicht draußen auf der Straße wirkt es schwarz. Also wird jeder potentielle Zeuge unseren Killer in einer schwarzen Jacke oder Hose gesehen haben, nicht in einer blauen.«
Jetzt war Sam beeindruckt. Marcia fuhr fort: »Ich kann dir noch etwas mehr zur Farbe sagen, wenn ich weitere Tests durchgeführt habe.«
Sam sah wieder durch das Okular. Sie erinnerte sich an den Leichenfundort und ihr Gespräch mit Richard Owen.
»Wo hast du es her?«
»Es klebte an der Schnur um den Hals des Opfers.«
»Hast du noch mehr davon gefunden?«
»Ja, ein paar. Was ist? Ich habe den Eindruck, du hast mir irgendetwas verschwiegen.«
»Richard Owen hat da draußen eine Wolljacke getragen, ich hielt sie für schwarz. Wir müssen ein paar Fasern davon untersuchen, um ganz sicher zu sein, aber ich möchte wetten …«
»Was?! Owen, der Polizeiarzt? Hatte er etwa keinen Schutzanzug an?«
Sam schüttelte den Kopf. Marcia war wütend. »Tja, das wärs dann wohl, der Polizeiarzt ist der Täter. Fall gelöst!«
Sam runzelte die Stirn. »Das glaube ich weniger, er ist kein Ganove. Viel zu anständig, um sich die Hände
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