Denn Gruen Ist Der Tod
vor, die diese Frau ausgestoßen haben musste, als die Flammen ihren Körper zu ergreifen begannen und ihr Fleisch verbrannten. Sie erinnerte sich an die Bilder, die sie bei Simon gesehen hatte, und hoffte, dass sie schon tot gewesen war, bevor die Flammen sie erreicht hatten. Die einzige Sünde der armen Frau war wahrscheinlich gewesen, eine frühe Form der Medizin zu praktizieren; beruflich betrachtet war sie im Grunde eine frühe Vorfahrin von Sam. Aber schlaue Frauen machten Männern eben damals wie heute Angst, dachte Sam. Schlimmer noch: Die Hexen hatten der Kirche Angst eingejagt, der Bastion männlicher Macht schlechthin.
Nach einem letzten Blick auf den hohen braunen Stein fuhr sie weiter. Die Frau hatte ihr den Weg sehr gut erklärt, und bald schritt Sam den Kiespfad zu dem großen viktorianischen Pfarrhaus hinauf. Sie hatte schon ähnliche Gebäude gesehen, aber die waren fast alle zu Altenheimen umgebaut worden oder zu Büros. Dieses hier wurde, obwohl es etwas heruntergekommen und vernachlässigt wirkte, noch genau für den Zweck verwendet, für den es erbaut worden war, und strahlte schon allein deshalb einen besonderen Charme aus. Viele Jahre hatte Sam davon geträumt, sich ein solches Haus zu kaufen, aber sie wusste, dass es nicht besonders einfach war, als Einzelperson in einem so großen Haus zu wohnen. Sollte sie jemals Kinder bekommen, was noch nicht entschieden war, würde sie den Plan erneut in Erwägung ziehen. Da sie jedoch mit Männern so gar kein Glück zu haben schien, hielt sie es nicht mehr für wahrscheinlich, dass sie einmal eigene Kinder haben würde. Sie ging auf die große weiße Eingangstür zu und klopfte laut an. Sie hörte, wie das Echo im ganzen Haus widerhallte, aber niemand öffnete. Leise Tritte auf dem Kiespfad, der neben dem Haus verlief, ließen sie aufmerken. Eine alte braune Labradorhündin kam auf sie zu. Sie hielt ihren Kopf gesenkt, wedelte aber freundlich mit dem Schwanz.
Sam hockte sich hin und streichelte ihr über Kopf und Ohren. »Wo ist denn dein Herrchen, hm? Wo ist er?«
Als hätte die Hündin ihre Frage verstanden, drehte sie sich um und trat den Weg zurück hinter das Haus an. Sam folgte ihr. Als sie um die Hausecke bog, sah sie einen beeindruckenden Garten vor sich. Auf den ersten Blick sah er fast verwildert aus, aber Sam konnte schnell feststellen, dass hier ein ambitionierter Geist am Werke gewesen war.
Der Labrador trottete weiter durch den Garten auf einen Mann in einem dicken Pullover zu, der vor einem Gemüsebeet kniete, und legte sich neben ihn hin. Sam überquerte den Rasen und bewunderte die geschickte Kombination von wilden und gezüchteten Pflanzen. Als sie sich näherte, sagte der Mann, ohne sich umzudrehen: »Sie müssen Doktor Ryan sein.«
Sam war verblüfft. »Ja, aber …«
Er sammelte weiter die Schnecken von seinem Gemüse und beantwortete ihre Frage: »Seien Sie nicht überrascht, Simon Clarke hat mir gesagt, dass Sie vielleicht vorbeikommen. Und sonst besucht mich niemand mitten am Tag, also war es nicht so schwer zu erraten.«
Sam kicherte beeindruckt. »Aha, ich verstehe.«
»Sie interessieren sich für den Mord an dem alten Charlie Ironsmith?«
»Ja.«
»Lassen Sie mich nur diese paar … Jetzt habe ich sie.« Er ließ seine letzten beiden Opfer in einen großen Eimer mit Salzwasser fallen. »Die einzige Möglichkeit, sie wirklich zu killen. Ich habe auch schon Pestizide ausprobiert, die töten zwar die Schnecken, aber auch jedes andere nützliche Tier in diesem Garten.« Er sah in den Eimer. »Abends geht es natürlich am besten, aber gestern Abend war ich weg. Glücklicherweise ist es heute feucht genug, damit sie herauskommen. Einmal habe ich mehr als hundert Stück gesammelt, das ist eine Leistung, was?«
Sam schaute in den Eimer mit den toten Weichtieren. Als sie wieder aufblickte, bemerkte sie, dass Reverend Shaw sie genau studierte. »Simon hat Sie sehr gut beschrieben.«
Sam wurde angesichts der Aufmerksamkeit des Pfarrers verlegen und konnte spüren, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Er war ganz anders, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Obwohl er jünger wirkte, musste er mindestens Mitte vierzig sein, schätzte Sam. Er war groß und schlank und hatte ein gut geschnittenes Gesicht und lockiges schwarzes Haar. Innerlich blieb Sam der Mund offen stehen. Sie empfand auch Schuldgefühle, weil ihr ein Mann der Kirche gefiel. Er bemerkte ihr Unbehagen und lächelte sie an. »Das ist schon ein paar Jahre her, seit
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