Denn Gruen Ist Der Tod
war ihm wohl bewusst, aber es war ihm gleich. Als er den Raum betrat, sah er Fred, der mit ernster Miene an einer stählernen Rollbahre stand. Der tote Körper war unter einem großen weißen Laken verborgen. Eine Hitzewelle überfiel ihn und seine Eingeweide zogen sich zusammen. Sanft sprach ihn der Inspector an: »Sind Sie bereit, Sir?«
Fred bewegte sich nicht, denn er wartete auf das Nicken des Inspectors. Malcolm verharrte bewegungslos. Er wollte den Moment, der sein ganzes Leben verändern würde, hinauszögern. Der Inspector versuchte es erneut: »Sind Sie bereit?«
Diesmal nickte Malcolm. Der Inspector sah Fred an, der das Laken zurückzog und die Sicht auf Frances' Gesicht freigab. Er sah sie nicht an. Er starrte gerade vor sich hin, er schluckte und Tränen traten ihm in die Augen. Schließlich zupfte ihn der Inspector am Ärmel, und er senkte seinen Blick.
Was da vor ihm lag, war nicht Frances, sondern eine schwarzblutige Karikatur seiner Tochter. Doch selbst in diesem schrecklich entstellten Gesicht konnte er noch ihre vertrauten, einst so schönen Züge erkennen. Er wischte die Tränen fort, die ihm über die Wangen liefen. »Nicht jetzt, Gott, bitte nicht jetzt. Lass mich nicht allein.«
»Ist das Ihre Tochter, Sir?«, fragte der Inspector flüsternd.
Malcolm nickte. »Ja, es ist meine Tochter.«
Fred wollte auf Geheiß des Inspectors die Leiche wieder bedecken, aber Malcolm hielt ihn am Arm fest. Er sah Fred mit gequältem Blick an. »Gehen Sie bitte sanft mit ihr um, ja? Sie hat schon genug gelitten.«
Diesmal tauchte kein witziger Spruch oder Gedanke in Freds Kopf auf. »Wir geben gut auf sie Acht, Sir, machen Sie sich keine Sorgen.«
Malcolm nickte und nach einem letzten Blick auf das Gesicht seiner Tochter erlaubte er Fred, es wieder zu verhüllen. Gerade als er sich umdrehte, um die Leichenhalle zu verlassen, kam Sam herein. Sie hatte sich schon umgezogen und war bereit für die Obduktion. Malcolm erblickte sie und ihm wurde klar, was sie gleich tun würde. Der Horror, der ihn bei dieser Vorstellung überfiel, war so groß, dass ihm die Beine wegknickten. Der Inspector trat schnell zu ihm, schlang die Arme um seinen Oberkörper und bewahrte ihn so davor umzukippen. Er führte ihn behutsam hinaus und als sie an Sam vorbeigingen, schaute Malcolm sie noch einmal verzweifelt an. Ihr war klar, dass sie im falschen Moment aufgetaucht war. Sie hatte ihren Job zu erledigen und sie war auch stolz auf ihren Beruf, aber zum ersten Mal überkam sie ein Gefühl der Scham und sie senkte ihren Blick, weil sie ihm nicht in die Augen sehen konnte.
Obwohl es Sam schwer fiel, Malcolm Purvis' Gesicht aus ihren Gedanken zu verbannen, war sie entschlossen, das Erlebnis zu vergessen und sich auf die Obduktion zu konzentrieren. Sie musste vergessen, dass dies einmal ein Mensch gewesen war, der von anderen geliebt wurde. Sie hatte eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Ihre Untersuchung konnte die Beweise erbringen, die zur Verhaftung des Mörders nötig waren, bevor er noch einmal zuschlagen konnte. Und sie musste diese Beweise schnell finden.
Fred hatte den Körper schon aus dem Leichensack geholt. Er lag jetzt auf dem weißen Marmortisch und ein paar weiß gekleidete Beamte der Spurensicherung sammelten ihre Proben ein. Sam schaute sich um. Unter den wie gewöhnlich zahlreichen Leuten auf der Zuschauertribüne war auch Adams, der alles genau beobachtete. Sie wusste, dass Adams nicht gern bei Obduktionen zusah. Er hatte ihr einmal erzählt, dass es gar nicht so sehr der Anblick war, der ihm zu schaffen machte, als vielmehr der Geruch. Tja, das konnte sie nicht ändern, Menschen rochen nun einmal. Richard Owen saß ebenfalls auf der Empore und war ins Gespräch mit Farmer vertieft. Es war ungewöhnlich, dass der Polizeiarzt einer Obduktion beiwohnte, und sie nahm an, dass es wahrscheinlich mehr mit ihr selbst zu tun hatte als mit der Leiche auf dem Tisch. Einen Augenblick lang wünschte sie, als unscheinbare Fliege an der Wand ihr Gespräch belauschen zu können, aber dann änderte sie ihre Meinung: Wer will schon Schlechtes über sich hören? Die Beamten von der Spurensicherung waren fertig, und Sam sah Fred an. »Alles bereit?«
Er nickte. »Eins sollten Sie wissen. Ich glaube, der Körper wurde gesäubert.«
Sam glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. »Wer zum Teufel war das?«, fragte sie zornig.
»Von uns niemand, Chef. Ich glaube, der Mörder war es. Er wollte wohl keine Spuren
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