Denn mit Morden spielt man nicht - Granger, A: Denn mit Morden spielt man nicht - Mixing with murder
Leichenhalle. Er ist übrigens ertrunken. Die Polizei weiß noch nicht, wer er ist, doch sie wird nicht aufgeben, bevor sie es nicht herausgefunden hat. Gut möglich, dass sie auch herausfindet, wo er sich versteckt gehalten hat, und dann wird sie zu dir kommen und dich fragen, warum du sein Verschwinden nicht gemeldet hast. Ich sage dir, was du tun wirst. Du wirst zur Polizei gehen …«
»Nein!«, unterbrach sie mich erschrocken. »Keine Polizei!«
»Bist du illegal in England?«
»Nein. Ich habe Arbeitserlaubnis für ein Jahr. Ich arbeite für Beryl. Es ist hübsch hier.« Sie fing an zu schluchzen.
»Dann ist ja alles in Ordnung, und du musst keine Angst haben. Hör zu, Folgendes ist deine Geschichte. Du erzählst der Polizei, dein Freund wäre aus London gekommen und hätte bei dir gewohnt. Du wolltest nicht, dass die Wirtin etwas davon erfährt, aber du hättest angefangen, dir Sorgen zu machen, als er nicht wieder nach Hause gekommen ist. Er wäre gestern Morgen zum Joggen rausgegangen und seitdem nicht zurückgekommen. Kann er ja auch nicht, eh? Weil ich ihn im Fluss gefunden habe. Die Polizei wird dich wahrscheinlich bitten, den Toten zu identifizieren.«
Vera schlang die Arme um ihren Leib und schaukelte elend auf den Absätzen vor und zurück. Sie tat mir ein wenig leid, doch jetzt war nicht die Zeit, sich Sorgen wegen jemand anderem zu machen. Irgendwie musste ich der Polizei klarmachen, dass der Grund für Ivos Anwesenheit in Oxford etwas war, das nichts mit mir zu tun hatte.
»Ivo nicht mein Freund«, sagte Vera verdrießlich. »Nur Freund einer Freundin. Sie hat mich gefragt, ob er bei mir schlafen kann.« Sie deutete auf das Sofa. »Er hat dort geschlafen. Ehrlich.«
»Es ist mir egal, und wenn er kopfüber an den Deckenbalken gehangen und die Fledermausflügel hinter dem Rücken gefaltet hat«, sagte ich. »Geh zur Wache und erzähl den Cops deine Geschichte und identifiziere ihn, okay? Sonst sage ich Beryl, dass du heimlich Männer ins Hotel geschleust hast.«
Einen Moment glaubte ich, sie würde erneut anfangen zu schluchzen, doch dann nickte sie.
»Gut. Mach es einfach, klar? Jetzt. Bevor du gehst, noch eine Frage – du hast an meiner Schlafzimmertür gelauscht, stimmt’s? Du hast gehört, wie ich ein Treffen mit jemandem unten am Fluss verabredet habe?«
»Ich lausche nicht an Türen!«, sagte Vera störrisch. »Ich weiß nicht, was du willst.«
»Aber du hast gewusst, weswegen Ivo nach Oxford gekommen ist?«
»Ich wusste nur, dass er gekommen ist, um dieses Mädchen zu suchen. Für seinen Boss.« Ihre Stimme wurde schrill. »Ist nicht meine Schuld, dass er tot ist! Ich weiß nichts. Ich weiß überhaupt nichts!«
Sie hatte sich einverstanden erklärt, zur Polizei zu gehen und Ivo zu identifizieren, weil sie ihren Job brauchte, wie sie sagte. Doch sie war nicht bereit, sonst noch irgendetwas einzuräumen oder zu gestehen, und wenn ich sie zu hart vorantrieb, konnte es sein, dass sie wieder störrisch wurde. Ich musste mich wohl oder übel mit dem zufrieden geben, was ich bereits in Erfahrung gebracht hatte.
»Also schön«, sagte ich. »Ich fahre heute Nachmittag nach London und komme heute Abend wieder. Ich erwarte von dir zu hören, dass du bei der Polizei gewesen bist und dass du Ivos Leichnam identifiziert hast.«
Sie fing erneut an zu schluchzen, schniefte wenig attraktiv und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel aus dem Gesicht.
»Du verstehst nicht! Niemand von euch versteht! Es gibt keine Arbeit zu Hause, wo ich herkomme. Es gab keine Arbeit für Ivo. Er wollte Profisportler werden und hat hart trainiert, doch kein Team nahm ihn. Er wollte in Filmen mitmachen, aber keine Filmgesellschaft nahm ihn. Er hat nicht viel Ausbildung, nur seine Kraft. Seine Eltern sind Bauern. Er will nicht sein ganzes Leben damit verbringen, das Land zu bearbeiten. Jasna ist eine Art Cousine. Sie hat ihm geschrieben, dass er nach London kommen soll, und sie ihm einen Job in ihrem Club besorgen könnte. Der große Boss dort braucht starke Männer an der Tür. Also kam Ivo. Doch der große Boss mag Jasna nicht, und er mag auch Ivo nicht. Beide haben Angst, weil er beide rauswerfen kann, wann immer er will, verstehst du das denn nicht? Sie hatten Angst! Und jetzt habe ich auch Angst.«
Ich hatte keine Zeit, die Seelsorgerin zu spielen oder mit ihr über die Probleme des osteuropäischen Arbeitsmarktes zu diskutieren. Ich ließ sie also allein und machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Ich
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