Denn niemand hört dein Rufen
Brooklyn, an. Belle holte sie ab, und auf dem Rückweg unterhielten sie sich über nichts anderes. Als Belle sie vor ihrer Wohnung absetzte, die gleich um die Ecke ihrer eigenen lag, sagte sie: »Mama, ich weiß, dass du ziemlich müde bist, aber komm doch heute Abend zum Essen. Du hast uns so
gefehlt. Und denk dran: auf keinen Fall den Prozess erwähnen. Wie gesagt, Sal ist gestern schon bei der bloßen Erwähnung aus der Haut gefahren.«
Als sie die enttäuschte Miene auf dem Gesicht ihrer Mutter sah, fügte sie schnell hinzu: »Ich habe alles geplant. Sal hat für morgen einen großen Umzugsauftrag. Er muss sehr früh auf den Beinen sein, und deshalb wird er heute Abend ziemlich zeitig schlafen gehen. Ich ruf dich an, sobald er schläft, so gegen zehn wahrscheinlich. Dann solltest du es dir in deinem Sessel gemütlich machen, denn ich hab dir eine Menge zu erzählen.« Sie verriet ihr noch nicht, dass sie vielleicht ihren Rat einholen wollte wegen einer schwierigen Entscheidung, die sie treffen musste.
»Ich kann es kaum erwarten«, antwortete ihre Mutter. »Ich bin schon die ganze Zeit so gespannt darauf, alles darüber zu erfahren.«
Zum Abendessen hatte Nonie eine Tasche voller Bilder mitgebracht, die sie und ihre Freundinnen aufgenommen hatten, und nachdem es ihr verboten war, über den Prozess zu reden, schickte sie sich an, Belle und Sal über jede Begebenheit an jedem einzelnen Tag der Kreuzfahrt in Kenntnis zu setzen.
»Olga und Gertie sind schon am ersten Tag seekrank geworden und mussten dieses Pflaster hinter dem Ohr tragen. Ich habe mir auch eins besorgt für den Fall der Fälle, aber ich habe es nie gebraucht …
Das Essen war einfach köstlich, so was Gutes habt ihr euer Lebtag noch nicht gegessen. Wir haben alle zu viel gegessen … Was soll man machen, den ganzen Tag und den ganzen Abend, immerzu wurde einem etwas vor die Nase gestellt …
Und dann gab es diese wunderbaren Vorträge, da bin ich
immer hingegangen. Mein Lieblingsvortrag war der über die Tierwelt im Meer, ihr wisst schon … die Wale und die Pinguine und all das …«
Sal, normalerweise die Nachsicht selbst, wenn seine Schwiegermutter mit ihren entsetzlich langweiligen Geschichten anfing, schaffte es diesmal nicht einmal, so zu tun, als würde er zuhören. Belle gab sich Mühe, interessiert zu wirken, und bewunderte sogar aufrichtig das bereits gerahmte Foto, auf dem ihre strahlende Mutter in ihrem hübschen neuen Hosenanzug zusammen mit dem Kapitän posierte.
»Heißt das, der arme Kerl muss sich mit jedem Passagier auf dem Schiff fotografieren lassen?«, fragte Sal ungläubig, der sich für einen kurzen Moment an der Unterhaltung beteiligte und überlegte, dass der Kapitän an manchen Tagen sicherlich am liebsten über Bord springen würde.
»Ja, sicher. Wenn es ein Paar ist oder eine Familie, dann kommen sie natürlich zusammen aufs Bild. Aber die Mädels und ich wollten alle ein einzelnes Bild mit ihm, damit unsere Familien später etwas als Andenken haben, wenn wir nicht mehr da sind«, erklärte Nonie.
Ach, darum geht es, dachte Sal. Keines dieser »Mädels« war jünger als fünfundsiebzig.
Nach dem Nachtisch und zwei Tassen Tee schlug Sal vor: »Nonie, du bist sicherlich sehr müde nach der Reise. Und ich muss morgen früh aufstehen. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich dich jetzt nach Hause begleiten.«
Belle und ihre Mutter tauschten einen befriedigten Blick aus.
»Das ist eine gute Idee, Sal«, stimmte Nonie zu. »Du brauchst deinen Schlaf, und für mich wird es auch Zeit. Ich
freue mich schon, wieder in meinem eigenen Bett schlafen zu dürfen.«
Eine Stunde später, kurz vor zehn Uhr, als die Schlafzimmertür geschlossen war und Sal bereits in tiefem Schlummer lag, machte es sich Belle in ihrem Lieblingssessel im Wohnzimmer bequem, zog das Fußpolster zu sich heran und rief ihre Mutter an.
In den folgenden anderthalb Stunden führten sie eine gründliche Untersuchung der gesamten Beweislage durch. Je mehr sie redeten und je mehr Belle von ihrer Mutter hörte, dass Gregg ihrer Meinung nach hereingelegt wurde, desto beklommener fühlte sie sich. Auch wenn Sal es abstreitet, ich bin fast sicher, dass Jimmy Easton für ihn gearbeitet hat, dachte sie. Schließlich entschloss sie sich, ihrer Mutter von ihrem Verdacht zu erzählen.
»Du meinst, Jimmy Easton hat vielleicht für Sal gearbeitet?« , rief Nonie aus. »Hat denn Sal irgendwann mal etwas in Greggs Haus geliefert?«
»Sal hat früher für ein
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