Denn niemand hört dein Rufen
sag’s dir nochmal. Sal ist mein Freund. Und ich werde nicht derjenige sein, der ihn in Schwierigkeiten bringt. Und du auch nicht.«
Die Spannung zwischen ihnen währte das ganze Wochenende über. Am Sonntagabend hatte Reeney dann auf
der Webseite von Vor Gericht nachgesehen und gelesen, dass Michael Gordon am Montagabend in der Sendung verkünden würde, dass eine Belohnung von fünfundzwanzigtausend Dollar ausgesetzt werde. Diese werde für jede Information bezahlt, mit der bewiesen werden könne, dass Jimmy Easton in Abwesenheit von Gregg Aldrich und vor dem Mord an Natalie Raines Zugang zu Aldrichs Wohnung gehabt hatte.
»Fünfundzwanzigtausend Dollar!«, hatte Reeney gerufen. »Sieh dich doch mal hier in der Wohnung um. Alles fällt auseinander. Wie lange mache ich das jetzt schon mit? Es ist mir schon peinlich, wenn unsere Freunde zu Besuch kommen. Überleg doch mal, wie schön wir das mit dem Geld alles herrichten könnten. Und vielleicht bleibt noch was übrig für die Reise, die du mir schon seit ewigen Zeiten versprochen hast.«
»Reeney, wenn wir sagen, dass Jimmy Easton für Sal gearbeitet hat, dann wollen sie seine Bücher sehen. Sal kann sich bestimmt nicht erinnern, wie oft er ihn überhaupt angeheuert hat. Er hat nur einen einzigen Angestellten, der Vollzeit bei ihm arbeitet. Die anderen bezahlt er bar auf die Hand, wenn er sie für einen Job braucht. Sal hat nie etwas in die Wohnung von Aldrich geliefert. Das hat er mir letzte Woche selbst gesagt.«
»Was hast du denn erwartet? Soll er vielleicht sagen, dass er sich schon darauf freut, wenn die Steuerfahndung ihm die Bude auf den Kopf stellt?«
Als sie am Sonntagabend zu Bett gingen, waren sie immer noch wütend aufeinander. Am Montagmorgen jedoch geriet Rudys Widerstand allmählich ins Wanken. »Ich habe gestern Nacht kaum geschlafen, Reeney«, sagte er.
»Und ob du geschlafen hast«, zischte Reeney zurück.
»Du hast die ganze Nacht geschnarcht. Bei dem vielen Bier, das du getrunken hast, warst du so gut wie bewusstlos.«
Sie frühstückten gerade in der kleinen Essecke neben der Küche. Rudy benutzte sein letztes Stück Toast, um die Reste seiner Rühreier vom Teller zu wischen. »Was ich gerade sagen wollte, wenn du mich vielleicht mal ausreden lässt, ist, dass du in einem Punkt Recht hast. Jeder, der mal für Sal gearbeitet und Easton dabei kennengelernt hat, wird sofort bei Vor Gericht anrufen, wenn er von dieser Belohnung erfährt. Und wenn Sal sowieso Schwierigkeiten kriegt, warum sollten wir uns das Geld dann entgehen lassen? Wenn sich herausstellt, dass Easton nie etwas dahin geliefert hat, dann zahlt Vor Gericht auch nichts, und wir werden uns keine neuen Möbel kaufen können.«
Reeney sprang auf und rannte zum Telefon. »Ich habe mir die Nummer aufgeschrieben.«
Sie nahm einen Zettel zur Hand und gab hastig die Nummer ein.
59
A ls verurteilter Mörder wurde Gregg Aldrich als hohes Sicherheitsrisiko eingestuft und in Einzelhaft in einer kleinen Zelle untergebracht. Immer noch fühlte er sich wie in einem bösen Traum. Dass alles, was ihm zugestoßen war, schreckliche Realität war, drang erst allmählich in sein Bewusstsein ein.
Als er nach dem Schuldspruch ins Gefängnis überführt worden war, wurde er zunächst fotografiert, und es wurden ihm die Fingerabdrücke abgenommen. Sein elegantes Sakko und seine Hose musste er gegen den hellgrünen Overall tauschen, der allen Insassen überreicht wurde. Seine Armbanduhr und seine Brieftasche wurden in seiner neu eingerichteten Akte vermerkt und ihm abgenommen.
Seine Lesebrille durfte er behalten.
Eine Krankenschwester fragte ihn nach psychischen oder physischen Gesundheitsproblemen, und ob er irgendwelche Medikamente einnehmen müsse.
Es war gegen zwei Uhr nachmittags am Freitag, als er, immer noch leicht unter Schock stehend, in seine Zelle geführt wurde. Der Wärter wusste, dass er nichts zu Mittag gegessen hatte, und brachte ihm ein Mortadella-Sandwich und ein Glas Sprudel.
»Danke, sehr nett von Ihnen«, sagte er höflich.
Am Montag wachte Gregg in der Morgendämmerung auf und bemerkte, dass er sich an nichts genau erinnern konnte, seit er dieses Sandwich am Freitag gegessen hatte. Alles war völlig verschwommen. Er starrte auf die kahle Wand der Zelle. Wie konnte das alles passieren? Warum bin ich hier? Natalie, Natalie, warum hast du das alles zugelassen? Du weißt, dass ich dich nicht umgebracht habe. Du weißt, dass ich dich besser verstanden habe als sonst
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