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Denn rein soll deine Seele sein

Denn rein soll deine Seele sein

Titel: Denn rein soll deine Seele sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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hatte eher theologisch argumentiert: »Der Herr Jesus hat auch die andere Backe hingehalten. Es ist nicht unsere Sache, die Ungläubigen zu verurteilen, das sollen wir ruhig dem lieben Gott überlassen.« Sein kleiner Bruder Randy, damals sechs, hatte nur gegrinst und in seinem Kartoffelbrei herumgemalt.
    Deckers Freunde hatten ihm eine Woche die kalte Schulter gezeigt, und auch der Jude hatte ihm den Einsatz nicht gedankt und war ihm auffällig aus dem Weg gegangen. Allmählich hatte sich alles wieder eingerenkt, aber er hatte nun eine leise Ahnung davon, wie es ist, ein Außenseiter zu sein.
    Nur sein Vater hatte offenbar die Entfremdung gespürt und sich um größere Zuwendung bemüht. Aber Lyle Decker war kein Mann von vielen Worten. Als therapeutische Maßnahme hatte er statt dessen den Sohn überredet, ihm bei der Reparatur der Garage zu helfen.
    Im Grunde hatte es Decker nichts ausgemacht, daß es zu Hause keine Gespräche von Mann zu Mann gegeben hatte. Sein Vater war ein guter, fleißiger Mensch mit einer sanften Seele. Seine Mutter war äußerlich robuster, aber auch sie war gütig und warmherzig. Daß er ein adoptiertes Kind war, hatte er erfahren, als er eines Tages von der Schule heimkam und erfuhr, daß er einen kleinen Bruder bekommen hatte.
    »Wo ist der denn her?« hatte er seine Mutter gefragt.
    »Wo du auch herkommst, vom lieben Gott.« Im Lauf der Jahre hatte er dann ganz allmählich die Wahrheit herausgefunden.
    Aufgrund dieser Erfahrungen hatte er sich um so mehr bemüht, eine offene und ehrliche Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen. Es war nicht immer einfach gewesen, aber es hatte sich gelohnt.
    Der Kollege aus der Zentrale meldete sich. »Es war ein Ortsgespräch. Aus Sylmar. Wenn du willst, können wir eine Fangschaltung beantragen.«
    »Ja, danke, ich komme darauf zurück.«
    Der Sittenstrolch hatte bisher hauptsächlich in Sylmar sein Unwesen getrieben, weit weg von der Jeschiwa. Wahrscheinlich gab es da keinerlei Zusammenhang, vorsichtshalber würde er sich trotzdem noch mal die Akte vornehmen. Im Fall Adler war am Tatort und an der Kleidung des Opfers Blut gefunden worden, allerdings nur das Blut der Frau, und die Laboruntersuchung hatte an ihren Kleidungsstücken Fremdfasern ermittelt. Von Rina wußte er, daß der Täter eine Skimaske - wahrscheinlich aus Strickstoff - getragen und daß er Mrs. Adler etwas Pelziges in den Mund gestopft hatte. Die Fasern konnten von der Maske oder von dem Knebel stammen, die vorliegenden Proben waren nicht ganz schlüssig.
    Decker sah auf die Uhr. Er hatte einen Gerichtstermin. Ein Handtaschenraub, begangen von einem Elfjährigen an einer siebzigjährigen Frau, die ihren Enkel im Kinderwagen ausgefahren hatte. Es war das erste Vergehen, bei dem man ihn geschnappt hatte. Nennenswert verletzt worden war niemand, er würde mit einem strengen Verweis davonkommen.
    Hawthorne holte Rina ein, als sie gerade das Klassenzimmer betreten wollte.
    »Was hat sich bei dem Treffen mit dem Cop getan?« fragte er.
    Sie sah ihn überrascht an. »Woher weißt du das?«
    »Sammy hat mir erzählt, daß du dich mit einem Polizisten verabredet hast, da habe ich messerscharf kombiniert, daß es sich nur um den Überfall handeln kann. Hat er schon eine Spur?«
    Woher wußte Shmuel von ihrer Verabredung? Sie würde vor ihren Söhnen in Zukunft vorsichtiger sein müssen.
    »Nein, keine Spur.« Sie wandte sich zum Gehen.
    »Komm, es muß sich doch irgendwas ergeben haben, weshalb wärst du sonst hingegangen?«
    Sie zögerte. »Mir sind noch ein paar Dinge eingefallen. Bitte, sprich nicht darüber, Matt.«
    »Ich bin verschwiegen wie ein Grab. Was für Dinge?«
    »Nichts weiter Wichtiges. Aber jetzt müssen wir los, sonst kommen wir beide zu spät.«
    »Hör mal, Rina, wenn du willst, gehe ich mit Sammy am Donnerstag zum Baseball. Er möchte doch schon so lange mal hin, und ich habe an diesem Abend nichts weiter vor.«
    »Am Donnerstag ist Computerclub.«
    »Den kann er doch mal ausfallen lassen, Steve nimmt's ihm bestimmt nicht übel.«
    »Nicht diese Woche, Matt. Ein andermal.«
    Hawthorne zeigte die Zähne wie Dracula. »Traust du mir nicht?«
    Rina lächelte matt. »Wir sind spät dran.«
    Hawthorne hielt ihr die Tür auf. »Nach dir.«
    Seine übertriebene Höflichkeit ging ihr gegen den Strich.
    Aber sie schlug die Augen nieder. »Danke«, sagte sie leise.

9
    Schon seit Tagen hörte Rina jetzt verdächtige Geräusche vor der Mikwe. Sie war inzwischen so nervös geworden,

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