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Denn Wahrheit musst du suchen

Denn Wahrheit musst du suchen

Titel: Denn Wahrheit musst du suchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Daugherty
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nicht gleich zum Anwalt rennen, Miss Sheridan. Versuchen Sie einfach, in Zukunft pünktlich zu sein. Und bringen Sie beim nächsten Mal eine Taschenlampe mit. Hier wird’s erst nach sechs hell.«
    Allie weigerte sich, Carter anzusehen, doch sie wusste, dass er sich nur mit Mühe ein Lächeln verkneifen konnte.
    Vor lauter Verlegenheit versuchte sie, das Thema zu wechseln. »Und was macht der hier?«, fragte sie und deutete aggressiv auf Carter.
    Der
öffnete den Mund, um ihr zu antworten, doch Mr Ellison kam ihm zuvor. »Carter wird uns heute hier aushelfen – aus Gründen, die … nicht ganz freiwilliger Natur sind.«
    Ellisons Augen glitzerten amüsiert, und diesmal gelang es Carter nicht, sich ein schuldbewusstes Grinsen zu verkneifen.
    Das brachte Allie sofort in Harnisch.
Ach, so ist das? Wenn Carter Arrest kriegt, ist das lustig, aber mich behandelt man wie eine Axtmörderin?
    Diese Ungerechtigkeit entfachte ihren Zorn von Neuem.
    »Na toll«, sagte sie verdrossen. »Also stehen wir jetzt hier rum und quatschen darüber, wie lustig es ist, wenn Carter gegen die Internatsordnung verstößt – oder kann ich sonst noch was für Sie tun?«
    Mr Ellison zog die Augenbrauen hoch. »Ich möchte Sie doch bitten, Ihren Ton etwas zu mäßigen, Miss Sheridan.«
    Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie ihn jemals wirklich streng dreinblicken gesehen hatte. Groß und breitschultrig, wie er war, mit seinen warmen, braunen Augen, war der Internatsgärtner stets nett zu ihr gewesen.
    Unter normalen Umständen hätte sie sich sofort entschuldigt und die Situation zu entschärfen versucht, doch es waren keine normalen Umstände: Ihr Körper war zerschunden, jeder einzelne Muskel tat ihr weh, ihr war kalt, sie hatte diesen furchtbaren Albtraum gehabt, und überhaupt – das alles war einfach nicht fair!
    Sie starrte ihn in stummer Rebellion an.
    Als Allie nichts erwiderte, sprach der Gärtner weiter, diesmal mit deutlicher Missbilligung in der Stimme. »Sie sind doch Rechtshänderin, Allie?«
    Ein Teil von ihr wollte diese verfahrene Situation auflösen und ihm eine vernünftige Antwort geben, aber nun war sie ernsthaft eingeschnappt. Und so zuckte sie nur abschätzig mit den Achseln und verschränkte die Arme.
    »Allie, komm jetzt …«, sagte Carter beschwichtigend.
    Sie biss sich heftig auf die Lippe, damit sie ihm nicht an Ort und Stelle sagte, er solle bloß die Klappe halten. Wieso kümmerte er sich nicht um seinen eigenen Kram?
    Mr Ellison hatte sich offenbar damit abgefunden, dass sie nichts sagen würde. Er griff in die Tasche seiner Arbeitshose und holte eine schon recht abgenutzte Gartenschere hervor, klein genug, um leicht in ihre Hand zu passen. Er streckte sie ihr entgegen, machte aber keine Anstalten, auf sie zuzugehen. Sie würde schon selber zu ihm hingehen und sie an sich nehmen müssen.
    Mit störrisch verschränkten Armen stand Allie da. Sie wollte auf keinen Fall nachgeben. Konnte ruhig jeder wissen, wie sehr sie die Nase voll hatte. Wie unfair das alles war.
    Aber er wird es Isabelle melden. Und so wird Lucinda davon erfahren – und die hat von mir vollständige Kooperation verlangt. Das heißt also …
    Sie hatte keine Wahl. Langsam und widerwillig ging sie auf ihn zu und griff nach der Schere, wobei sie versuchte, ihm mit den Augen zu zeigen, wie wütend sie war.
    Doch Mr Ellison ließ die Schere nicht los.
    »Ich weiß doch, dass du sonst nicht so bist, Allie«, sagte er keineswegs unfreundlich.
    Ihr erster Impuls war, ihm zu sagen, dass er doch gar keine Ahnung habe. Dass keiner eine Ahnung hatte, wie es ihr ging. Doch dann spürte sie zu ihrer Überraschung Tränen aufsteigen. Sie wollte gar nichts Gemeines zu Mr Ellison sagen. Sie wusste ja selber, dass sie sich zurzeit nicht im Griff hatte, einfach wild um sich schlug und stets die Falschen traf. Das musste aufhören.
    Ihr Zorn löste sich in Luft auf, wie ein Atemstoß in der Kälte. »Es tut mir leid«, sagte sie.
    Mr Ellisons Gesichtszüge wurden weicher. »Ich verstehe dich besser, als du denkst, Allie«, erwiderte er. Seine tiefe Baritonstimme hatte etwas Tröstliches. »Ich habe auch schon Menschen verloren. Gute Menschen. Genau wie Carter. Menschen, die wir so geliebt haben wie du Jo. Wir wissen, wie weh das tut. Aber wir haben es durchgestanden, und jetzt musst du es auch durchstehen.«
    Allie wusste, dass Carters Eltern gestorben waren, als er noch ein Kind gewesen war. Und dass sie gut mit Mr Ellison befreundet gewesen

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