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Denn Wahrheit musst du suchen

Denn Wahrheit musst du suchen

Titel: Denn Wahrheit musst du suchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Daugherty
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Sie ging zum Fenster, beugte sich über den Schreibtisch und löste den Riegel des Fensterladens. Ein Stoß kalter, frischer Luft kam herein. Allie schloss die Augen und atmete tief ein. Sie musste einen klaren Kopf bekommen.
    Es war Vollmond – der Punktstrahler im Himmel warf ein helles, bläuliches Licht auf das Schulgelände. Doch ohne ihre Night-School-Ausbildung hätte sie die kurze Bewegung unterhalb ihres Fensters wohl nicht bemerkt, so schnell ging sie vonstatten.
    Plötzlich hellwach, ließ sie ihre Augen über den Rasen wandern, der zwei Stockwerke unter ihr lag. Vielleicht ein Fuchs oder ein Vogel?
    Dann erstarrte sie. Denn was sie sah, war ein Mann, der davonrannte und im Schutz der Bäume verschwand.

[zurück]

Zehn
    Allie stockte der Atem. Ihre Brust schien plötzlich zu eng für ihre Lunge zu sein.
    Mit einer achtlosen Armbewegung schob sie die Sachen zur Seite und kletterte auf die Tischplatte, um bessere Sicht zu haben. Doch der Mann war verschwunden.
    Einen Augenblick hockte sie wie erstarrt da und klammerte sich am Fensterrahmen fest. Dann stürzte sie zur Tür und hinaus in den Flur. Ihre Müdigkeit war verflogen. Mit Riesenschritten rannte sie die zwei Stockwerke nach unten und durch die große, leere Halle zur Eingangstür, wo sie mit vor Aufregung tauben Fingern an der alten Schließanlage rüttelte, bis diese endlich mit lautem Scheppern nachgab.
    Ohne die Tür zu schließen, sprang sie die Eingangsstufen hinunter und rannte über den Rasen Richtung Waldrand, den Schmerz in ihrem Knie ignorierend.
    Sie hatte keine Angst. Sie würde diesen Mann schnappen. Und er würde bekommen, was er verdiente.
    Der Mond leuchtete das Gelände wie eine Bühne aus, tauchte das Gras in silbernes Licht und strahlte die Bäume an. Allie gab sich keine Mühe, im Verborgenen zu bleiben oder besonders leise zu sein. Hier kam es auf Geschwindigkeit an, nicht auf die Tarnung.
    Als sie den Rasen überquert und die Stelle am Waldrand erreicht hatte, wo sie den Mann zuletzt gesehen hatte, gaben plötzlich ihre Muskeln nach, die noch vom Training erschöpft waren. Wie eine Betrunkene torkelte sie in den Wald.
    Dort war es dunkler, weil das Mondlicht nicht durch den Baldachin aus Kiefernästen drang. Sie verlangsamte ihr Tempo und merkte plötzlich, dass sie keine Ahnung hatte, wohin sie sich wenden sollte – sie wusste nicht, welche Richtung der Mann eingeschlagen hatte, nachdem er in den Wald eingetaucht war.
    Instinktiv nahm sie den Pfad zur Kapelle. Sie legte einen Zahn zu und spähte immer wieder ins Halbdunkel. Irgendwann blieb sie stehen und lauschte auf Schritte oder knackende Zweige. Doch außer ihrem eigenen rauen Atem und ihrem klopfenden Herzen war nichts zu hören.
    Ich hab ihn aus den Augen verloren.
    Verzweifelt beugte sie sich vor, stützte die Hände auf die Knie und atmete flach. Als sie wieder aufsah, bemerkte sie vor sich eine flüchtige Bewegung – wie von einem vorbeihuschenden Schatten. Aber irgendetwas stimmte damit nicht.
    »Halt!«, schrie sie, so laut sie konnte, und stürzte los. Da bewegte sich der Schatten plötzlich und drehte sich zu ihr um, und als sie näher kam, wurde der Schatten zu einem Mann in Schwarz.
    Erst da wurde Allie bewusst, dass sie keine Waffe hatte. Verzweifelt sah sie sich nach einem langen Stock, einem großen Stein oder sonst einem brauchbaren Gegenstand um. Sie hob einen Zweig auf, doch er war zu klein und zerbrechlich, um ihr viel zu nützen – und nun kam der Mann auch noch rasch auf sie zu.
    »
Halt
, hab ich gesagt!«, brüllte sie. Doch dann blieben ihr die Worte im Hals stecken.
    Das Gesicht des Mannes kam ihr irgendwie bekannt vor.
    »Allie?!«, sagte er. Dann trat er ins Mondlicht, das an dieser Stelle durchs Geäst fiel. Es war einer von Rajs Wachleuten – er hatte mit im Geländewagen gesessen, auf der Fahrt von der Polizeiwache zurück nach Cimmeria. »Was machst du denn hier draußen?«
    »Waren Sie das eben auf dem Rasen?« Allie atmete heftig. Das Seitenstechen kam so plötzlich, als hätte man ihr ein Messer in den Leib gerammt, und sie ließ den Zweig fallen, um die Hand auf ihre Rippen zu pressen.
    »Ja, wir gehen Patrouille«, sagte er und wirkte erstaunt. Behutsam kam er auf sie zu, als könnte sie ausbüxen oder ihn beißen wollen. Er sprach mit demonstrativ ruhiger Stimme und streckte ihr die Hände entgegen. »Erkennst du mich nicht? Ich bin Peter, und das ist Karen.«
    Eine Wachfrau kam zwischen den Bäumen hervor und stellte sich neben

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