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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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noch schnell eine kurze Wochenendvisite, dann holte mich Celine mit ihrem Auto ab.
    Vor unserem traditionellen Samstagssturm auf die Freßabteilung im KaDeWe nahmen wir Kurs auf Lankwitz, einen Vorort im Süden Berlins. So lange wir beide denken konnten, war der Begriff »Lankwitz« Synonym für das Städtische Tierheim dort, ebenso wie »Wittenau« für die Städtische Nervenklinik.
    Nach einigem Suchen fanden wir sogar die Adresse, Dessauer Straße, aber kein Städtisches Tierheim. »Wir sind umgezogen«, verkündete ein Pappschild am Zaun, »das Städtische Tierheim befindet sich jetzt im Hausvaterweg 39 in 13057 Berlin.«
    Während wir uns im wiedervereinigten Berlin unverändert den Luxus von drei staatlichen Opernhäusern, zwei zoologischen Gärten und zwei medizinischen Fakultäten leisten, hatte man nach über zehn Jahren wenigstens die beiden Tierheime zusammengelegt. Prima. Nur, wer bitte kann einem Westberliner sagen, wo »13057 Berlin« ist?
    Getreu ihrer Überzeugung, sie kenne sich aus in Berlin, befindet sich kein Stadtplan in Celines Auto. Ein gelangweilter Taxifahrer meinte, na, klar wisse er, wo der Hausvaterweg wäre, aber sei er Taxifahrer oder die Auskunft? Schließlich fanden wir »13057 Berlin« auf dem Stadtplan in einem kleinen Buchladen.
    Hinter der Postleitzahl 13057 verbarg sich der Bezirk Hohenschönhausen, weit im Norden Berlins, ehemals Ostberlin. Nachdem ich mir den Weg eingeprägt hatte, faltete ich den Stadtplan wieder ordentlich zusammen, bevor ich ihn zurück in den Ständer schob, was, wie allgemein bekannt, bei Stadtplänen nicht so einfach ist. Der Laden sah zwar aus, als hätte er schon länger keine Kunden mehr gesehen, aber auch mir war aktuell nicht nach Unterstützung der aussterbenden Kleinunternehmer. Beste Wünsche des Ladenbesitzers begleiteten uns dann nach 13057 Berlin, erneut einmal quer durch die Stadt. Aber schließlich ging es um Trixi, meine letzte Zeugin.
    Als wir uns endlich nach Hohenschönhausen in den Hausvaterweg durchgearbeitet hatten, war es kurz nach zwei. Wieder begrüßte uns ein Pappschild: »Am Wochenende nach 14 Uhr nur Notfälle«. Eine schnarrende Stimme an der Gegensprechanlage entschied, meine Suche nach Trixi sei kein Notfall, wir sollten morgen vormittag wiederkommen.
    Frustriert verzichteten wir auf den Einkauf eines großen Genesungsfestessens, den Anblick der sonnabendlichen Pelz- und Loden-Gesellschaft im KaDeWe hätten wir nicht auch noch ertragen. Wir würden uns etwas vom Chinesen kommen lassen.

    Am Sonntag gab es seit langer Zeit zum erstenmal Streit mit Celine. Am Telefon. Vielleicht nur, weil Celine sich ärgerte, daß wegen meines Gipsbeins sie nun zum Bäcker gehen sollte. Jedenfalls teilte sie mir mit, daß sie einen erneuten Ausflug zum Tierheim nach Hohenschönhausen nicht mitmachen würde.
    »Es tut mir leid, aber ich muß mich heute dringend um Sedat kümmern, meinen Kurden. Den Wagen brauche ich dafür auch selbst. Fahr doch morgen nach Hohenschönhausen.«
    Morgen würde ich mit meinem Gipsbein in Celines Toyota mit seinem archaischen Schaltgetriebe genausowenig alleine fahren können wie heute. Außerdem würde ich morgen wieder arbeiten müssen. Ich war sauer.
    »Dir kann es ja egal sein, ob der Hund noch einen Tag länger dort leiden muß oder nicht.«
    Nun war auch Celine sauer.
    »Ganz recht. Wenn ich die Abschiebehaft für Sedat abwägen muß gegen einen Hund, der im Tierheim fachmännisch versorgt wird, fällt mir die Entscheidung nicht furchtbar schwer.«
    »Ist er denn in Abschiebehaft, dein Ausländer?«
    »Er ist jetzt tatsächlich mein Ausländer, ich habe gegenüber der Gruppe die Verantwortung für ihn übernommen. Und wenn ich gleich losfahre, kann ich die Abschiebehaft vielleicht noch verhindern.«
    Sprach‘s und legte auf. Ich humpelte zur Kaffeemaschine und überlegte, wen ich außer Valenta mit einem Automatikwagen kannte oder wer mich vielleicht nach Hohenschönhausen kutschieren könnte. Mir fiel niemand ein. Vierunddreißig Euro kostete mich das Taxi zum Tierheim, einfache Fahrt. Das Taxameter war auf drei Personen plus Gepäck eingestellt, aber der Fahrer war aus der Gegend Pakistan, Bangladesch oder so, also wollte ich mich nicht als Rassist beschimpfen lassen und zahlte klaglos.
    Über meinen Besuch im Tierheim möchte ich nicht berichten. Nur soviel – es war herzzerreißend. Eine nette Tierpflegerin in Latzhose, selbstgestricktem Pullover und hohen Plastikstiefeln führte mich an den Gattern

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