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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Renate noch einmal begründet, daß der Hund bei ihr war?« fragte Celine.
    »Weil du eine Hundeallergie hättest.«
    »Dann denke ich, du solltest nach jemandem mit einer Hundeallergie suchen.«
    Keine schlechte Idee! Ich ließ die beiden mit ihren Asylantenproblemen allein, schnappte mir Trixi zur obligaten Abendrunde und machte mir Gedanken zu Sachen wie Freundschaft, Hautausschlag und Allergie. Zum Beispiel zu der Frage, wen Renate, wäre sie tatsächlich unschuldig, so konsequent decken würde. Und wer sich bestens mit meinem Computer in der Klinik auskannte. Und wie sich eine Allergie äußerte. Mir fiel lediglich eine Person ein. Dort meldete sich nur der Anrufbeantworter. Dem sagte ich, daß wir uns dringend unterhalten müßten, und, für ein wenig Dramatik, daß mir die Polizei auf den Fersen sei.
    »Ich werde übrigens den Hund mitbringen.«
    Die ganze Nacht wartete ich auf einen Rückruf, vergebens. Das machte mir Sorgen.

    In der Klinik schaute ich zuerst bei Winter vorbei. Vorher kontrollierte ich seine Kurve, er hatte tatsächlich durchgehalten, heute war sein dritter Tag ohne Schmerzmedikamente. Allerdings beklagten sich die Schwestern, warum ich die Schmerztherapie bei Herrn Winter abgesetzt habe, es würde sie enorm belasten, sein Leiden mit anzusehen.
    »Er hat mich selbst darum gebeten, aus bestimmten guten Gründen, und es ist nur für drei Tage. Es stimmt, es tut auch mir weh, ihn leiden zu sehen. Aber vergessen Sie nicht: Wir müssen es nur mit ansehen, er aber muß wirklich die Schmerzen ertragen.«
    Herr Winter saß mit der Sauerstoffmaske in der Hand auf der Bettkante und blickte mich aus hohlen Augen an. Ganz offensichtlich bereitete ihm jeder Atemzug erhebliche Schmerzen. Seine Stimme war zu einem krächzenden Flüstern reduziert, kaum zu verstehen.
    »Sind Sie in Schwierigkeiten, Doktor?«
    Hatte sich der freundliche Polizeibesuch doch herumgesprochen? Oder spürte dieser Mann, trotz Luftnot und schrecklicher Schmerzen, meine Situation? Unglaublich! Für jeden normalen Patienten darf sein Arzt nur ein Problem haben, nur eine Sorge: seine schnelle Gesundung.
    »Glauben Sie mir, Herr Winter. Sie würden jederzeit mit mir tauschen.«
    »Wahrscheinlich. Aber was immer es ist, Doktor, vergessen Sie es! Nutzen Sie Ihre Tage! Sie sehen, wie schnell es zu Ende gehen kann.«
    Ich klopfte ihm den knochigen Rücken mit Brennspiritus ab und versuchte, etwas von dem zähen Schleim aus seiner oberen Luftröhre abzusaugen. Selbst mit Schmerzmitteln keine angenehme Prozedur für den Patienten.
    »Sind Sie sicher, daß es das wert ist, Herr Winter? Sollen wir die Sache nicht abbrechen?«
    Erstaunlich energisch für seinen Zustand schüttelte er den Kopf.
    »Machen Sie nur alles fertig für den Gutachter und den Notar morgen früh, damit es nicht umsonst war.«
    Ich versprach es, stellte die Sauerstoffkonzentration etwas höher und begann mein klinisches Tagewerk. Bis halb neun mußte ich nicht nur das Blut für das Labor abgenommen und mich um Röntgen- oder sonstwelche Termine für meine Patienten gekümmert haben, bis halb neun wollte unter anderem auch die Verwaltung von mir wissen, ob und welche Patienten ich heute entlassen würde und was ich sonst an freien Betten hätte. Im wunderbaren EDV-Zeitalter mußten diese Meldungen in elektronische Formulare in unser Hausnetz eingehackt werden. Ohne Käthe klemmte es an allen Ecken und Enden, und es wurde fast zehn Uhr, ehe ich mich zur Visite aufmachen konnte.
    Mitten in der Visite rief mich Valenta an, ob ich gleich zur Intensivstation rüberkommen könne.
    »Du bist schon wieder im Dienst?«
    »Wo sonst? Meinst du ich gehe in so eine famose Herzinfarkt-Reha-Klinik? Außerdem hatte ich dank deiner Hilfe keinen Infarkt, und wenn doch etwas passiert, wo wäre ich sicherer als auf unserer Intensivstation? Jetzt komm rüber, es ist wichtig.«

    Es dauerte eine Weile, bis ich dieses verkabelte und beatmete Wesen erkannte. Valenta veränderte gerade etwas an der Infusionsgeschwindigkeit.
    »Als Patienten sehen Leute, die wir schon lange kennen, plötzlich fremd aus, stimmt‘s?«
    »Auf jeden Fall älter. Oder so alt, wie sie wirklich sind. Was ist passiert?«
    »Jede Menge Schlaftabletten, querbeet. Ganze Klumpen konnten wir noch aus dem Magen holen, den Rest spülen wir jetzt raus. Sie wird‘s überleben. Muß eine Kurzschlußreaktion gewesen sein, nichts Geplantes. Da weiß eine Krankenschwester besser, was zu nehmen ist.«
    Stimmt – eine

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