Denn wer zuletzt stirbt
an.
»Käthe ist wach und voll orientiert«, informierte mich Valenta zu meiner Erleichterung. »Sie will dich sprechen.«
Käthe sah nicht wirklich besser aus als gestern, wenn auch, befreit von der Beatmung und der künstlichen Niere, etwas menschlicher.
»Hallo, Käthe.«
Sonst fiel mir nichts ein, auf Sprüche wie »was machen Sie denn für Dummheiten« konnten wir sicher beide verzichten.
»Ah, Dr. Hoffmann. Haben Sie der Polizei meinen Brief gegeben?«
»Nein. Die stochern bisher nur ein bißchen herum, kein Grund, Sie oder die Klinik mit hineinzuziehen.«
Wir hätten es dabei belassen können, einen Moment schwiegen wir beide. Aber Käthe wollte sich aussprechen, warum sonst hätte sie mich rufen lassen?
»Sie wußten nichts von Ihrer Hundeallergie, nicht wahr?«
»Das war wirklich nur dumm, die Sache mit Ihrem Hund. Aber nach dem Tod Ihrer Tante ist Margitta total ausgeflippt und kam mit dieser unseligen Erpressungsidee. Ich hatte doch nicht gewußt, daß es um Ihre Tante ging! Sonst hätte ich natürlich die Situation mit Ihnen besprochen. Aber wir sind uns ja nie bei Ihrer Tante begegnet.«
Ich hatte immer angenommen, Tante Hilde sei nicht mehr ganz klar im Kopf, wenn sie von »der netten Schwester Käthe von der Hauspflege« erzählt hatte, und bringe das mit ihrer Zeit als Patientin in der Klinik durcheinander. Nun erinnerte ich mich, daß Käthe zu der Zeit, als Tante Hilde meine Patientin war, ihren Jahresurlaub genommen hatte. Und nach ihrer Entlassung hatte ich, wie gesagt, immer darauf geachtet, mit meinen Besuchen nicht in die Situation »Tante auf dem Topf« oder »Tante wird gewaschen« hineinzuplatzen.
Käthe fuhr fort.
»Erst jetzt bekam ich überhaupt mit, was bei Margitta und ihrem Bruder lief. Ich hatte ja keine Ahnung gehabt!« Schwester Käthe als Opfer? Das paßte zwar zu dem Bild von ihr, das ich bisher hatte, kaum jedoch zu meinen Entdeckungen über Ihre Aktivitäten.
»Sie wollen die ganze Zeit nichts gemerkt haben?«
»Margitta war eine sehr geschäftstüchtige Frau, das wurde mir schnell klar. Aber ich habe mir einfach keine Gedanken gemacht, ob man ihren aufwendigen Lebensstil wirklich mit einem Hauspflegedienst finanzieren kann. Heute sehe ich es: die große Wohnung, das Auto, die Reisen, das hätte mir auffallen müssen!«
»Gab es denn nie eine Bemerkung der alten Menschen, die Sie stutzig gemacht hat? Zum Beispiel wegen der Bankvollmacht?«
Käthe nickte stumm vor sich hin.
»Natürlich, im nachhinein fallen mir schon Dinge ein, die jetzt einen ganz anderen Sinn ergeben. Aber Sie wissen doch, wie alte Menschen sind: immer in Sorge, ausgeraubt oder betrogen zu werden. Dauernd verlegen oder vergessen sie irgendwelche Sachen und sind dann überzeugt, daß man sie bestohlen hat. Und tatsächlich ergab sich nicht selten das Problem, daß wir bei zunehmender Verwirrtheit eine Kontovollmacht brauchten. Vielleicht hat es so angefangen, mit der Bankvollmacht eines Toten und einem gut gefüllten Konto, um das sich niemand gekümmert hat.«
Wahrscheinlich war es so gewesen, dachte ich. Die Vorstellung, daß Margitta ihren Hauspflegedienst von vorneherein zum Betrug der Rentenkassen und Plündern von Bankkonten gegründet hat, wollte auch ich nicht akzeptieren, sie wäre dann doch zu traurig.
Käthes Antlitz war frei von trotzig negierter Schuld oder verstecktem Fanatismus. Eine ältere Frau, nicht schön, nicht häßlich, aber vielleicht mit mehr Lebenserfahrung als ich.
»Käthe, es tut mir leid, aber ich habe immer noch Schwierigkeiten mit Ihrer Geschichte. Wie zum Beispiel passen die Wohnungen zu Ihrer Darstellung, von nichts gewußt zu haben? Immerhin bin ich auf die ganze Sache erst gestoßen, weil Margittas Bruder Manfred die Häuser oder Wohnungen meiner Patienten sehr schnell und exklusiv auf dem Immobilienmarkt angeboten hat.«
»Sie denken, es gab so etwas wie Tote auf Bestellung? Daß Menschen sterben mußten, weil sie ein großes Haus oder eine Wohnung in Spitzenlage, aber keine Nachkommen hatten? Nein, selbst Margitta hätte das nicht mit mir versucht. Es ist einfach so, daß sie mir einmal erzählt hat, daß ihr Bruder im Immobiliengeschäft sei und sie ihm die Adressen von Patienten melde, deren Tage definitiv gezählt waren. Sie sähe darin nichts wirklich verwerfliches, die Objekte kämen sowieso auf den Markt. Anfangs fand ich das nicht in Ordnung, aber letztlich mußte ich Margitta recht geben, niemandem entstand ein Schaden. Also gab ich ihr
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