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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Kurzschlußreaktion, ausgelöst durch eine kleine Ansprache von Dr. Hoffmann auf ihrem Anrufbeantworter. Gut gemacht, Herr Doktor!
    »Hier – deshalb habe ich dich gerufen.« Valenta reichte mir ein verschlossenes Kuvert mit meinem Namen. »Wir haben es eben erst bei ihren Sachen gefunden.«
    Valenta versicherte mir, er und sein Team hätten alles unter Kontrolle, ich zog mich in sein Dienstzimmer zurück und las.
    »Lieber Dr. Hoffmann. Es tut mir leid, daß ich Sie in Schwierigkeiten gebracht und einem falschen Verdacht ausgesetzt habe. Eines aber ist mir wichtig: Ob in der Klinik oder während meiner Teilzeitarbeit bei der Hauspflege, ich habe nur Menschen beim Sterben geholfen, die mich ausdrücklich und wiederholt darum gebeten haben und deren Zustand oder deren Lebensumstände hoffnungslos waren. Ich habe niemanden ›umgebracht‹.«
    Ich las den Brief zu Ende und steckte ihn dann ein, ebenso, ungeöffnet, das beigelegte Kuvert »für die Polizei«. Nicht die Möglichkeit, daß ich mit diesem Brief meinen Kopf aus der Schlinge von Czarnowske und Co. ziehen konnte, stimmte mich etwas weniger traurig, sondern daß, wie Käthe schrieb, Renate sie vom Auftauchen der Polizei informiert hatte. Als ich gestern anrief, war sie offenbar längst bewußtlos gewesen. Wenigstens eine Sache, an der mich keine unmittelbare Schuld traf!

    Erstaunlicherweise war die Mannschaft am Freitagvormittag pünktlich um zehn Uhr komplett: mein Patient Winter, ich als sein behandelnder Arzt, ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und der Herr Notar. Der Neurologe und Psychiater kam vom Universitätsklinikum. Wenn meine Klinik auch nicht direkt von Winters Vermächtnis profitierte, schien es mir dennoch besser, einen externen Kollegen mit dem Gutachten zu Winters Zurechnungsfähigkeit zu betrauen. Der Herr Notar gehörte, wie konnte es anders sein, zu Celines weitem Bekanntenkreis und schrieb später eine saftige Rechnung.
    Immerhin war es bemerkenswert, wie angesichts so viel versammelter Fachkompetenz die Angelegenheit trotzdem reibungslos über die Bühne ging. Nach einer orientierenden neurologischen Untersuchung und einem kurzen Gespräch attestierte der Psychiater meinem Herrn Winter nicht nur eine »natürliche Einsichts-, Urteils- und Verständnisfähigkeit« (das reiche nicht aus, meinte der Notar), sondern auch seine »Geschäftsfähigkeit im Sinne des BGB«. Den Text für das geänderte Testament hatte ich schon gemeinsam mit Winter und dem Notar vorbereitet, der allerdings darauf bestand, es noch einmal zu verlesen. Dann machte er es mit seinem Siegel zu einem wasserdichten Dokument, nachdem Winter als Erblasser und ich als Zeuge unterschrieben hatten.
    »Einen Moment, ich hätte da noch etwas.«
    Aus seinem Nachttisch, den er als »mein kleines Büro« bezeichnete, zog Winter ein Formular hervor. Es handelte sich um den Vordruck einer sogenannten Patientenverfügung für den Fall, wie der Text sagte, daß er »nicht mehr in der Lage sein sollte, seine persönlichen Angelegenheiten selbst zu regeln«.
    »Dazu brauchen Sie mich nicht«, erklärte ihm der Notar.
    »Aber zur Sicherheit kann Ihnen der Herr Neurologe auch hier den ›jetzigen Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte‹ attestieren.«
    Das tat der, kurz gingen wir dann die einzelnen Punkte gemeinsam durch. Winter bestimmte damit für den Fall von »schwerstem körperlichem Leiden, Dauerbewußtlosigkeit oder fortschreitendem geistigem Verfall ohne Aussicht auf Besserung« seinen Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen oder Wiederbelebung, auf Ernährung über eine Sonde, auf Antibiotika im Fall einer Infektion und nahm »eine mit einer aggressiven Schmerzbehandlung unter Umständen einhergehende Lebensverkürzung« in Kauf. Wir kamen zum letzten Punkt auf dem Formular.
    »Was meinen Sie, Dr. Hoffmann? Bin ich mit einer ›Organentnahme zum Zwecke der Transplantation‹ einverstanden?« Selbst in seinem Zustand versuchte Winter, es uns leichter zumachen, der Situation etwas von ihrer Bedrückung zu nehmen. Wir verabschiedeten uns, Winters Dank ging in einem erneuten Hustenanfall unter.
    »Wie lange hat er noch?« fragte der Notar auf dem Gang.
    »Nicht mehr lange. Danke, daß Sie uns geholfen haben.«
    Im Schwesternzimmer ließ ich mir Winters Kurve geben und setzte ihm wieder eine ordentliche Schmerzmedikation an, zusätzlich noch einen Röntgen Thorax für Montag. Sein Husten hatte sich in den letzten Tagen deutlich verschlechtert. Danach rief ich auf Intensiv

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