Department 19 – Die Mission
nichts darauf hin, dass das böse Leiden, dem zwei seiner Freunde zum Opfer gefallen waren, seinen Weg nach London gefunden hatte, und dafür wollte er Gott danken, wenn schon nur für wenig anderes.
»Bitte entschuldigen Sie meinen Ausbruch, Mr. Stoker«, sagte er versöhnlicher. »Wenn Sie vorausgehen würden? Ich werde mir die Garderoben ansehen, ganz wie Sie wünschen.« Er drehte sich um und wandte sich an seinen Diener. »Du kannst zur Kutsche zurückkehren. Hier gibt es nichts, was deine Mithilfe erfordern würde.«
»Dennoch würde ich Sie lieber begleiten, Sir, solange Sie keinen Anstoß daran nehmen.«
Van Helsing winkte mit einer herablassenden Handbewegung ab. »Tu, was du nicht lassen kannst.«
Stoker führte sie durch das Theater, vorbei an langen Reihen mit rotem Samt bezogener Sitze und am Orchestergraben, durch eine Tür und in den Bereich hinter der Bühne.
Die schmalen Gänge waren vollgestellt mit Kulissen und Requisiten aus früheren Inszenierungen – ein Holzturm aus Verona, ein kaputter Märchenthron, Hermelinumhänge, rostende Helme und Kronen, reihenweise Schwerter und Dolche, von deren Klingen die silberne Farbe abblätterte und sich in kleinen Verwehungen auf den Dielenbrettern sammelte. Der Nachtmanager redete ununterbrochen, während er Van Helsing und seinen Diener durch die staubigen Korridore führte. Sein Selbstbewusstsein war nach der Entschuldigung des Professors zurückgekehrt, und er befeuerte es zusätzlich mit dem Inhalt eines kleinen Flachmanns, aus dem er unverhohlen regelmäßige Schlucke trank.
»… natürlich ist Mr. Irving ein bedeutender Mann, wahrhaft bedeutend, und ein ebenso vornehmer Dienstherr wie begabter Schauspieler. Er hält die anderen Darsteller stets dazu an zu glänzen, sich zu … zu verbessern , nimmt sich die Zeit, die Talentierteren unter ihnen persönlich zu unterrichten und die ohne Talent höchst behutsam – ich betone: höchst behutsam – von ihrem Vorhaben abzubringen. Auch hat er stets ein offenes Ohr für mich, obwohl er selbstverständlich sehr viel wichtigere Dinge zu tun hat, ein bedeutender Mann wie er. Er hat mir versprochen, sozusagen von Mann zu Mann, dass er mein Stück lesen wird, falls ich das vermaledeite Ding je beenden sollte. Welche Freundlichkeit! Welche Großzügigkeit! Obwohl ich fürchte, dass ich sein herzliches Angebot möglicherweise niemals in Anspruch nehmen kann. Der Handlungsrahmen irritiert mich über alle Maßen, und ich stehe dicht davor zu akzeptieren, dass es vielleicht nicht das Medium ist, für das ich am besten geeignet bin. Vielleicht ist der Roman die Antwort? Ich halte es nicht für abwegig. Vielleicht sollte ich über ein Theater schreiben, aus dem immer wieder spurlos Personen verschwin den? Das könnte unterhaltsam sein, wenn auch nur für eine kleine Weile. Vielleicht könnte ich mich sogar erdreisten, den Helden nach Mr. Irving zu erschaffen, diesem großartigen Mann, diesem …«
» Immer wieder verschwinden?«, unterbrach ihn Van Helsing leise.
Sie waren vor einer Tür angekommen. Dahinter lag eine unscheinbare Garderobe, kaum größer als eine Speisekammer. Vor den staubigen Spiegeln an der Wand standen drei kleine Tische mit ungepolsterten Stühlen. In den Ecken stapelten sich Kostüme und Manuskripte voller Lyrik und Dialoge.
»Sir?«
»› Immer wieder spurlos Personen verschwinden‹, haben Sie gesagt. Wollen Sie damit andeuten, dass dieses Revuemädchen nicht die Erste ist, die ohne Erklärung aus dem Lyceum verschwand?«
Stoker wischte sich über die Stirn. Seine Bestürzung war nicht zu übersehen. »Nun ja … ja, Sir. Es sind auch noch andere verschwunden. Aber wie Sie selbst schon sagten, das Theaterleben ist nicht jedermanns Sache. Wer weiß, vielleicht haben sie sich entschieden, ihr Glück anderswo zu suchen?«
»Wie viele andere?«
»Insgesamt, Sir? Ich weiß es nicht. In den letzen Monaten vier, meines Wissens. Ein Trompeter, eine Zweitbesetzung der Titania sowie zwei Revuemädchen, an deren Namen ich mich, wie ich gestehen muss, nicht erinnern kann.«
»Vier andere!«, brüllte Van Helsing, und Stoker duckte sich erneut zurück in den offenen Eingang. »Sie sind der Nachtmanager dieses Theaters, fünf Ihrer Angestellten verschwinden in rascher Folge ohne jede Erklärung, und Sie halten das nicht für ungewöhnlich? Sie halten es nicht einmal für nötig, diese Tatsache mir gegenüber zu erwähnen, obwohl ich hergerufen wurde, um den jüngsten Fall zu
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