Depeche Mode
einmal fast vergewaltigt, gut, daß er zugekifft war – hat einfach keinen hochgekriegt. Sonst, kapierst du – es hätte passieren können, daß er der erste gewesen wäre …
– Ja, – sage ich, – so was kommt vor. Mein Bruder hat mich beschützt, als wir klein waren.
– Mich, – sagt sie, – hat keiner dumm angemacht, als ich klein war. Hatten alle Schiß vor mir …
11.00-12.00
– Na, und?
– Was und?
– Du hast irgendwas von Spritzautos erzählt.
Ach ja, – sie erinnert sich. Wir sitzen auf dem Balkon, Dog schläft in einer Ecke, wir sitzen auf irgendwelchen Matten und schauen in den Himmel, Marusja ist ganz abwesend, läßt ihre leeren Augen schweifen und versucht, sich zu konzentrieren, aber es klappt nicht richtig, obwohl sie mir Beachtung schenkt, mir was erzählen will. – Ich hatte eine Vision. Die Nacht vorher hatte ich durchgemacht, verstehst du, und dann die Klassenarbeit. Ich hab also was geschrieben von, weiß nicht mehr genau, aber der wichtigste Gedanke war, daß diese Spritzautos, also daß sie überhaupt kein Wasser verspritzen.
– Sondern?
– Verstehst du, – plötzlich klingt ihre Stimme ernst und ängstlich, – einmal bin ich aufgewacht, ganz früh, vor sechs, glaube ich, und irgendwie bildete ich mir ein, daß ich Milch kaufen muß, also nehm ich eine Thermoskanne und geh in Pantoffeln raus, Milch kaufen.
– Um sechs Uhr früh?
– Wußte ich ja nicht, – sagt sie, – daß es erst sechs ist. Bin einfach auf den Balkon gegangen, es war schon hell, schaue runter – unten fahren diese Dinger vorbei, also – die Spritzmaschinen, irgendwie hab ich gedacht, daß es Milchautos sind, sehen doch genauso aus, gib's zu.
– Hm, nicht ganz.
– Warum?
– Hast du schon mal gesehen, daß Milchautos mit Milch die Straßen spritzen?
– Mit Milch? – Marusja verstummt, offensichtlich hat sie gerade wieder eine Vision, aber ich kann sie zurückholen.
– Obwohl, – sage ich, – du hast recht. Sie funktionieren nach demselben Prinzip. Transportieren was im Tank. Feuerwehrautos sehen auch so aus.
– Und Tankwagen mit Benzin, – sagt Marusja.
– Ja, – sage ich, – Tankwagen mit Benzin sehen im Prinzip auch aus wie Milchautos.
– Ich also mit meiner Thermoskanne zum Spritzauto, – erzählt Marusja weiter, – und plötzlich, verstehst du – ein Schwall Wasser trifft mich, zielt gerade auf mich, meinen Körper, mein Gesicht, meine Hände, hat mir sogar die Thermoskanne aus der Hand geschlagen. Und ich, verstehst du, heb die Hände ans Gesicht, von denen noch das kalte Wasser tropft, und rieche dran. Weißt du, wonach sie gerochen haben?
– Wonach? – frage ich.
– Nach Gas.
– Nach was für einem Gas?
– Keine Ahnung, – sagt Marusja. – Aber ganz bestimmt nach Gas. Und weißt du, was ich gedacht habe – im Prinzip könnte es Absicht sein, verstehst du – also sie mischen dem Spritzwasser absichtlich tonisierendes Gas bei, um die Leute einerseits vor dem Arbeitstag zu stimulieren, andererseits um die Energie dieser Leute in produktive Bahnen zu lenken, denn das Gas ist auf der Basis psychotroper Mittel hergestellt, die Leute werden auf ihre Art angetörnt und begeben sich gutgelaunt zur Arbeit.
– Und das hast du so geschrieben?
– Ja, – sagt Marusja, – hab ich. Ich hatte eine Vision. Hab mir verschiedene Ausschmückungen ausgedacht, zum Beispiel daß die im Gas enthaltenen Elemente an der Luft erst nach 45 Minuten zu wirken beginnen. Also, wenn die Spritzmaschinen das Gas sagen wir um 6.15 ausgestoßen haben, dann wirkt es nur teilweise und ist extrem schädlich für den menschlichen Organismus.
– Und warum das?
Um die tägliche Ordnung in den Städten einzuhalten. Wenn du vor sieben Uhr die Nase rausstreckst, schnüffelst du deine Dosis Schadstoffe und dir ist den ganzen Tag schwindlig, kapiert? Wenn du aber meinetwegen Punkt sieben aus dem Haus gehst, stärkst du dich mit der richtigen Mischung und rackerst den ganzen Tag zum Wohl des Vaterlandes, was ökonomisch und vernünftig ist.
– Und all das hast du so geschrieben?
– Mhm.
– Weißt du, – sage ich, – ich an deiner Stelle würde wirklich mit meinem Vater sprechen. Ein paar Schützenpanzer – und keiner weiß mehr was von deinem Gas … Oder eine Wasserstoffbombe, – füge ich nach einigem Nachdenken hinzu.
12.00-13.00
– Nein, – sagt sie, – ich schreib sie lieber noch mal. Diesmal über was anderes. Vielleicht über das Straßenbahndepot.
– Die
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