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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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– meldet sich der Moderator zu Wort. – Wie steht's mit der Geschichte?
     
    Wasja sieht mich fragend an.
     
    – Erzähl ihm halt irgendwas, – flüstere ich ihm zu, – sonst werden wir ihn nie los.
    – Von »Depeche Mode«? – fragt Wasja den Hörer.
    – Von »Depeche Mode«, – der Moderator ist einverstanden.
    – Okay, – sagt Wasja, – ich kann Ihnen eine Geschichte erzählen, sie ist aber … wie soll ich sagen …
    – Nicht ganz anständig? – kichert der Moderator.
    – Nein, – sagt Wasja langsam. – Sie ist einfach traurig. Soll ich Ihnen eine traurige Geschichte erzählen?
    – Aber sie handelt von »Depeche Mode«? – fragt der Moderator für alle Fälle nach.
    – Von »Depeche Mode«, von »Depeche Mode«, – sagt Wasja, – keine Angst. Wieso sollte ich nicht von »Depeche Mode« erzählen? Aber es ist eine traurige Geschichte.
    – Na okay, – stimmt der Moderator zu, – heraus mit Ihrer traurigen Geschichte. Daß sie mir aber auch wirklich von »Depeche Mode« handelt, – fügt er streng hinzu.
    – Ja, – sagt Wasja, – von »Depeche Mode«. Als ich in der zehnten Klasse war, in Tscherkassy, hatte ich einen Freund, also, eigentlich war er nicht mein Freund, eher ein Klassenkamerad, verstehen Sie?
    – Ich verstehe, – sagt der Moderator einfach.
    – Er war im Prinzip ein normaler Typ, fiel nicht besonders auf, verstehen Sie, was ich meine?
    – ...........
    – Er hatte aber einen Hau weg.
    – Einen Hau weg?
    – Ja, einen Hau weg. Verstehen Sie, er, wie soll man sagen – Sie haben hier ja immer wieder über das Showbiz geredet, Platin und so, also, kurz gesagt, wir haben damals alle »Depeche Mode« gehört.
    – Oh! – stößt der Moderator freudig aus, anscheinend geilt ihn öffentlich geäußerte Liebe zu »Depeche Mode« echt auf.
    – Haben ihre Platten gesammelt, Fotos, Poster, erinnern Sie sich?
    – Ja-ja-ja, – quakt entzückt der Moderator.
    – Und da schenkte ihm einmal jemand, weiß nicht mehr genau wer, ein Gehan-Poster zum Geburtstag, verstehen Sie?
     
    Wieder quakt der Moderator entzückt.
     
    – Und er, verstehen Sie, im Prinzip war er ein normaler Typ, hängt dieses Poster im Klo auf und fängt an, vor Gehan zu wichsen, kapiert?
    – Wieso wichsen? – fragt der Moderator bestürzt. Daß die Geschichte so traurig ist, hat er wohl nicht erwartet.
    – Einfach so, – Wasja weiß nicht, wie er es am Telefon vorführen soll, – fing an, vor dem Gehan-Poster zu onanieren, kapiert?
    – Entsetzlich, – sagt der Moderator. – Haben Sie versucht, ihm zu erklären, daß man so was nicht machen darf?
    – Haben wir, – sagt Wasja, – er hatte aber einen Hau weg, kapiert? Er verheimlichte es gar nicht – kam von der Schule nach Hause, schmiß die Tasche im Korridor hin – und ab ins Klo.
    – Und Sie?
    – Wir nicht.
    – Nein, das meine ich nicht.
    – Ach, was sollten wir machen? Wir dachten, vielleicht mag der Kerl die Musik so sehr, vielleicht mag er Ihr »Depeche Mode« so, daß er sich nicht zurückhalten kann, ist doch im Prinzip nichts dabei, oder?
    – Khrrrrrrrrr, – knarzt der Moderator.
    – Aber wissen Sie was – irgendwann zum nächsten Geburtstag schenkten wir ihm eine Aufnahme von »Depeche Mode«, dachten, er freut sich, bedankt sich dafür. Aber wissen Sie was? Er hört sich die Aufnahme an und sagt – was für einen Mist habt ihr denn da mitgebracht? Aber das ist doch, sagen wir, der Kerl, vor dem du jeden Tag wichst, der singt da. Gefällt dir das etwa nicht? Nein, sagt er, gefällt mir nicht. Und stellt den Kassettenrecorder aus. Hat danach nie mehr »Depeche Mode« gehört. Können Sie sich das vorstellen?
    – Na ja, – sagt der Moderator ratlos. Man spürt, daß er gerne das Thema wechseln würde, aber welches andere Thema denn nach all dem. – Was ist dann weiter passiert? – fragt er endlich.
    – Mit wem? – Wasja versteht nicht.
    – Na, mit diesem … mit Ihrem Wichser … Entschuldigung – Ihrem Freund.
    – Machte Geschäfte, – sagt Wasja kurz angebunden, – eröffnete in Tscherkassy eine Apothekenkette. Handelte mit Tromadol. Vor einem Jahr starb er an Diabetes.
    – Nicht so viel wichsen, – sagt der Moderator hämisch.
     
    Eine Zeitlang herrscht Schweigen. Alle sind in ihre Gedanken versunken. Der Moderator hat aber offensichtlich nicht viele, denn er gibt als erster auf.
     
    – So weit die lehrreiche Geschichte, verehrte Hörerinnen und Hörer, unseres mitternächtlichen Unbekannten. Ich muß aber

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