Depeche Mode
Manuskript verheddert, – machen wir noch eine musikalische Pause und hören das nächste Musikstück. »Die Mutteraugen«. Es singt stepan haljabarda.
»Die blauen Mutteraugen, – stepan haljabarda machen sich sofort ans Werk, – vor mir seh ich – pam-pa-pa-ram, leicht salzig« – »leicht salzig«, – stimmt vergrämt der Chor an. Leicht salzig, überlege ich, ist das gut oder schlecht? Wahrscheinlich doch schlecht, man hätte sie besser normal gesalzen, falls ich alles richtig verstehe.
– Ungeziefer, verdammt, – sagt Wasja.
– Wo ist Ungeziefer? – ich verstehe nicht. – Was redest du?
– Von der Mutter.
– Was von der Mutter?
– Sie haben die Mutter gefressen, – sagt Wasja zufrieden, als ob sich irgendwie bestätigt hätte, was er schon lange vermutete.
– Wer hat die Mutter gefressen?
– Na die eben – stepan haljabarda.
– Quatsch. Die singen einfach nur.
– Von wegen. Hörst du, was sie sagen – leicht salzig.
»Pam-pa-pa-ram meine Lippen euch berühren«, – fahren stepan haljabarda fort …
– Es schmeckt ihnen, diesen Monstern, – kommentiert Wasja.
– Hör auf, – sage ich. – Das ist echt lächerlich.
– Meine Lippen, – sagt Wasja. – Berühren. Verdammte Feinschmecker.
– Hör auf. Es geht um was anderes.
– Ja? Um was denn? Haben ihre große mongolische Mama gefressen, und du sagst, es geht um was anderes.
– Niemand hat seine Mama gefressen. Wie stellst du dir das überhaupt vor? Wie kann man Augen essen? Wie kann man nur Augen essen?
– Mutteraugen? – fragt Wasja nach.
– Wieso Mutteraugen? Niemand ißt Mutteraugen, – sage ich genervt.
– Nur stepan haljabarda, – Wasja läßt nicht locker.
– Also okay, – ich gebe nach. – Mutteraugen, von mir aus. Oder doch lieber nicht die von ihrer Mutter. Vielleicht die Augen eines Tieres, zum Beispiel? Oder Fischaugen?
– Fische haben kleine Augen, die werden bestimmt nicht gegessen, – sagt Wasja.
– Kleine Fische haben kleine Augen. Aber große Fische haben große Augen. Haie, zum Beispiel.
– Haie sind keine Fische.
– Und was glaubst du sind Haie?
– Ich glaube, es sind keine Fische.
Ich stimme ihm leichten Herzens zu, kann ja sein – vielleicht sind in seinem persönlichen Weltbild Haie keine Fische, warum versuchen, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
– Na okay, – sage ich, – okay. Dann eben keine Haie. Vielleicht, äh, wie heißen die gleich? Rochen!
– Rochen? – fragt Wasja mißtrauisch nach.
– Ja, – sage ich. – Rochen. Wie werden ihre Augen zubereitet?
– Sie haben keine Augen.
– Wie, keine Augen?
– Einfach so. Sie haben keine. Sie leben in so einer Tiefe, wo das Licht sich zerstreut und sie keine Augen brauchen.
– Und wie bewegen sie sich dann?
– Wer?
– Rochen. Zitterrochen.
– Sie bewegen sich gar nicht.
– Wie, bewegen sich nicht? Und was fressen sie?
– Plankton.
– Plankton?
– Plankton. Plankton bewegt sich auch nicht. Und Rochen bewegen sich nicht. So leben sie.
– Na okay, – sage ich wieder, – okay. Und wie ficken sie?
– Wer? Rochen?
– Ja, – sage ich. – Zitterrochen.
– Sie tasten sich ran, – sagt Wasja.
Ich versuche, mir den Geschlechtsverkehr von Zitterrochen vorzustellen. Grauenhaft – erstens im Wasser, zweitens durch Rantasten, drittens kriegst du dabei permanent einen Schlag!
– Die Augen werden wahrscheinlich eingelegt, – sage ich nach kurzem Überlegen. – Dann in Dosen verpackt und als Konserven verkauft.
– Mhm, – sagt Wasja. – Stell dir mal vor, bei denen in Ulan Ude kann man in den Lebensmittelgeschäften Konserven kaufen, mit mongolischer Aufschrift: »Eingelegte Mutteraugen«.
– Ja, – sage ich, – und darunter in einer kleineren Schrift – »leicht salzig«.
Für alle, die zu dieser späten Stunde immer noch nicht schlafen, setzen wir unsere Erzählung über den steilen Aufstieg des Familienduetts »Depeche Mode« fort. Im Februar desselben Jahres kam eine neue Single der Gruppe heraus – »I Feel You«, die unter anderem folgende Zeilen enthält:
I feel you
Your sun it shines
I feel you
Within my mind
You take me there
You take me where
The kingdom comes
You make me to
And lead me through Babylon
was ungefähr folgendermaßen übersetzt werden kann: »Verzeih mir, Mutter, deinem verlorenen Sohn, ich bin schon lange nicht mehr, der ich damals war, in unserer sorgenfreien Jugend, der verhängnisvolle Strudel der Drogensucht und
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