Depeche Mode
sagen, daß Ihr Freund heute – hören Sie? – heute hätte er sich kaum zu einem solchen Schritt entschlossen.
– Warum denn nicht? – fragt Wasja beleidigt.
– Schon allein deshalb, weil Gehan heute keiner mehr ist, vor dem man, wie Sie es uns erzählt haben, onanieren kann.
– Was meinen Sie?
– Gehan hat sich stark verändert. Er hat sein Image verändert.
– Was?
– Na, sein Aussehen.
– Hörst du? – Bestürzt hält Wasja wieder mir den Hörer hin. – Er sagt, Gehan hat sich verändert.
– Frag ihn, ob er sich stark verändert hat, – rate ich ihm.
– Und, – sagt Wasja in den Hörer, – hat er sich stark verändert?
– Ja, Sie werden nicht glauben, seine alten Fans erkennen ihn nicht wieder. Es heißt, es kommt vom Heroin.
– Ist ihm, – sagt Wasja, – vielleicht was abgefallen?
– Im Gegenteil, – frohlockt der Moderator.
Wasja schaut mich bestürzt an. Ach du Scheiße, – denke ich.
– Ist ihm was gewachsen?
– Ja! – ruft der Moderator triumphierend.
– Was denn? – fragt Wasja.
– Raten Sie mal.
– Ein Arm?
– Nein, kein Arm.
– Ein Bein, – versucht Wasja zu raten.
– Nein, kein Bein!
– Ich mag es mir gar nicht vorstellen.
– Ein Bart! – ruft der Moderator nach einer effekthascherischen Pause.
Wasja schüttelt es.
– Und ist es ein großer Bart?
– Ein normaler.
– Und wem … sorry – wem sieht er jetzt ähnlich?
– Na, ich weiß es nicht, – sagt der Moderator irgendwie geziert, – kommt darauf an, mit wem man ihn vergleicht. Welche bekannte Persönlichkeiten mit Bart kennen Sie denn?
– Santa Claus, – sagt Wasja.
– Nicht doch, – der Moderator ist beleidigt. – Ich rede von realen Menschen. Die es wirklich gibt.
– Wie – Santa Claus gibt es gar nicht?
– Natürlich nicht.
– Echt, Mann? – stichelt Wasja. – Und da bist du selbst drauf gekommen?
– Worauf denn? – Der Moderator versteht nicht.
– Auf das mit Santa Claus. Muß man erst mal draufkommen, daß es Santa Claus nicht gibt. Eher gibt es dich und dein beschissenes Radio und all die mongolischen Milizionäre nicht.
– Was für Milizionäre? – Der Moderator versteht nicht.
– Die mongolischen, – sagt Wasja.
Am anderen Ende des Äthers tritt eine schwere Pause ein. Ich mache Wasja Zeichen – gib mir den Hörer, laß mich mal versuchen, du kommst nicht weiter, was versteifst du dich auch auf Santa Claus, okay, der Typ weiß nicht, daß es Santa Claus gibt, was soll's, ist vielleicht ein Altgläubiger oder so, hatte vielleicht eine schwere Kindheit, Vater Offizier und Mutter Mathelehrerin, und du machst ihn zusätzlich fertig, gib schon her den Hörer.
– Hallo, – sage ich, – hören Sie mich?
– Ja, – reagiert der Moderator erfreut, – Sie mich auch?
– Schon seit über einer Stunde, – sage ich. – Mein Freund mußte leider weg und konnte Ihre faszinierende Erzählung nicht mehr zu Ende hören. Was ist nun mit unserem Dave? Wem sieht er ähnlich?
– Aha, – sagt der Moderator, merkt wohl gar nicht, daß jetzt jemand anderer mit ihm spricht, – nennen Sie noch ein paar berühmte Bartträger.
– Lew Dawidowitsch Trotzki, – sage ich nach einigem Überlegen. – Oder sagen Sie, daß es auch keinen Trotzki gibt?
– Nein, – sagt der Moderator peinlich berührt, – wieso denn – Trotzki gibt es.
– Aha, sehen Sie, – sage ich, – also ist Ihnen doch noch etwas heilig.
– Ja, – sagt der Moderator, – ein bißchen was schon. Aber Dave sieht ihm nicht ähnlich.
– Nicht ähnlich?
– Kein bißchen.
– ZZ Top, – sage ich.
– Daneben.
– Also okay, – sage ich. – Castro.
– Was?
– Castro. Fidel Castro. Sieht er Fidel ähnlich?
– Fidel? Ja, – sagt der Moderator schließlich, – Fidel sieht er ein bißchen ähnlich. Dem jungen, versteht sich, – verbessert er sich sofort. – Ja, dem jungen Fidel sieht er ein bißchen ähnlich. Ich habe mir kürzlich ihr Konzert auf Video angeschaut – die Kollegen von der Londoner Redaktion haben es uns geschickt, und dort erinnert er wirklich irgendwie an den jungen Fidel. Ein phantastisches Schauspiel, stellen Sie sich nur mal vor – Zehntausende Fans von Depeche Mode, da kommt Fidel raus und fängt an, mit Gehans Stimme zu singen. Können Sie sich das vorstellen?
– Wissen Sie, – sage ich nach einer kurzen Pause, ich verstehe ja, daß er bestimmt älter ist als ich, meistens versuche ich, mich trotzdem ganz normal zu
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