Depeche Mode
abgedrückt.
– War er Linkshänder? – fragt Dog.
– Dog, – mahnen wir ihn.
– Könnt ihr euch das vorstellen? – sagt Onkel Robert. – Man hat ihn gefunden und konnte ihn erst gar nicht identifizieren – den halben Kopf hat es ihm weggefegt. Am Socken haben sie ihn erkannt.
– Dort bei Ihnen gibt’s wohl viele einbeinige Jäger? – frage ich, aber Onkel Robert ist nicht mal beleidigt.
– Und wo ist er jetzt? – fragt Wasja.
– In der Leichenhalle. Übermorgen ist die Beerdigung.
– Übermorgen?
– Ja, nachmittags. Sie versuchen noch, ihm den Schädel zusammenzuflicken, versteht ihr?
– Und wenn sie es nicht hinkriegen? – sage ich.
– Keine Ahnung, vielleicht äschern sie ihn dann ein. Man muß Sascha finden, damit er kommt. Ich war schon am Institut, dort haben sie gesagt, ich soll ihn hier suchen.
– Hier ist er nicht, – sagt Wasja.
– Wo kann er bloß sein? – fragt Onkel Robert.
– Bleiben Sie doch hier, – sage ich, – und warten Sie, bis er kommt.
– Kann ich nicht. Werde daheim erwartet. Muß meiner Schwester mit der Beerdigung helfen, dann in die Leichenhalle fahren, sie versuchen, seinen Kopf zusammenzuflicken, und es soll doch ähnlich werden.
– Wie, – fragt Wasja, – haben sie viele Varianten?
– Hört mal, Jungs, – Onkel Robert erhebt sich vom Aktenkoffer und nähert sich mir, – findet ihn. Meine Schwester bittet sehr darum, daß er kommt. Sie hatten kein sehr gutes Verhältnis, aber jetzt ist er tot, versteht ihr? So ist das. Ihr habt ja noch Zeit, bis übermorgen. Findet ihn. Ich hab euch auch was mitgebracht. – Er öffnet den Aktenkoffer und holt drei Flaschen Kognak raus.
– Das ist doch nicht nötig, – sage ich.
– Ja, wirklich nicht, – erklärt Dog und greift sich den Kognak.
– Findet ihn, – sagt Onkel Robert und geht irgendwie niedergedrückt und ohne sich zu verabschieden in den Flur hinaus. Keine Ahnung, vielleicht hat er den Verstorbenen geliebt, wer kennt sich mit diesen Rothäuten aus.
Onkel Robert, – sage ich, – Onkel Robert. Was für ein komischer Name – Robert. Klingt wie ein Schwulenmagazin.
11.15
– Na?
– Weiß nicht. Ätzend.
– Was ist ätzend?
– Na, dieser Onkel Robert. Richtiger Killer.
– Ich glaube, er ist schwul.
– Echt?
– Ganz bestimmt. Hast du seinen Aktenkoffer gesehen?
– Ja …
– Was sollen wir machen?
– Weiß nicht.
– Vielleicht gehen wir Zündkerze suchen?
– Und wo bitteschön? Im Institut ist er nicht. Keine Ahnung, wo er sonst hingeht.
– Hat er außer uns noch irgendwelche Bekannte?
– Keine Ahnung.
– Hm …
– Noch dazu dieser Onkel. Schwul.
– Bestimmt.
– Zündkerze wird traurig sein.
– Glaubst du?
– Bestimmt. War doch sein Vater.
– Stiefvater.
– Scheißegal.
– Zündkerze mochte ihn nicht.
– Familie ist Familie. So was macht einen einfach fertig.
– Überhaupt nicht, – sage ich. – Hab ja gar nichts dagegen – Familie, Eltern, alles okay, von mir aus. Ist aber doch nicht so wichtig, wie alle tun, so ein Stuß, alle sagen immer nur Familie, Familie, in Wirklichkeit aber geht es ihnen am Arsch vorbei, sehen sich nur an Beerdigungen und Geburtstagen. Stimmt’s?
– Nöö, – sagt Wasja. – Finde ich nicht. Ich liebe meine Eltern.
– Und wann hast du sie das letzte Mal gesehen?
– Was macht das für einen Unterschied? – sagt Wasja. – Die muß ich nicht sehen, um sie zu lieben.
– Hör mal, – fragt Dog plötzlich, – kannst du dir die Beerdigung deiner Eltern vorstellen?
– Bist du durchgeknallt? – Wasja ist beleidigt. – Was laberst du da?
– Bloß so, – sagt Dog, – schon gut. Wahrscheinlich werd ich zur Beerdigung gar nicht eingeladen, wenn sie abkratzen, meine ich.
– Und wie stellst du dir das vor? – frage ich. – Erwartest du, daß sie dir ein Jubeltelegramm schicken: »Lieber Dog Pawlow, komm – es gibt zwei Juden weniger auf der Welt!«?
– Das mein ich doch nicht.
– Was meinst du dann?
– Weiß nicht, ich denke nur, wenn ihnen was passiert, dann krieg ich die Schuld, so ist das, immer bin ich schuld.
– Du bist eben ein Antisemit, – sage ich.
– Egal, – sagt Wasja, – du jedenfalls redest Scheiße. Ist doch cool.
– Was, – sage ich, – Beerdigungen?
– Nein, Eltern, Familie. Ich erledige hier meinen Kram und fahr heim. Meine Mutter lebt in Tscherkassy.
– Verstehst du, – sage ich zu ihm, – ich hab echt nichts dagegen. Familie, Mütter, okay.
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