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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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einem Literkrug nicht abdestillierten Fusel, na, kurz gesagt, es war das Richtige für ihn, also nicht der Fusel, aber alles zusammen – Werkbänke, Kühlschlange, Schwerindustrie und Maschinenbau, das war es, was Zündkerze fehlte, und Tschapaj hatte eine ganze Fabrik von diesem Mist plus Umgebung. Wenn man also unseren Zündkerze jetzt irgendwo finden kann, dann dort – in den Fabrikwerkstätten, das denke ich und lege es meinen Freunden dar, ja, wirklich, sonst gibt es ja auch nicht allzu viele Orte, wo unser Bruder zugelassen ist, einen solchen Ort aber hat Zündkerze, also machen wir uns langsam fertig und gehen raus, und am Ausgang treffen wir plötzlich Kakao, Kakao steht vor dem Hauseingang, ganz aufgedunsen und verquollen, sieht uns, oh, – sagt er, – hi, wo geht ihr hin? Wir – sagt Wasja, – haben zu tun, geh ins Bett. Kann ich mitkommen? – fragt Kakao, dabei trocknet er sich die Stirn mit dem Ärmel seines Sakkos, der fette Scheißer, los, – sagt Wasja scharf, – ab ins Bett, ich will nicht ins Bett, – bettelt Kakao weiter, – nehmt mich mit, fuck off, – schreit Wasja, – du hast uns gerade noch gefehlt. Sagt wenigstens, wo ihr hingeht! – fleht Kakao, Kakao, sagt Wasja, – wir haben zu tun, kapiert? Wir suchen Zündkerze, Zündkerze? Wirklich? Hört mal, – ruft Kakao, Schluß, – unterbricht ihn Wasja, – ab ins Bett, also, Freunde, – sagt Kakao verwirrt, ich kann euch …, hau ab, gut Nacht, und wir gehen, er bleibt zurück, der dicke Idiot.
     
    12.00
    Klebriges Grün, feuchtes Papier, rote Gebäude, irgendwie haben wir nicht den richtigen Weg genommen, schlappen durch die halbe Stadt, fahren zum Platz, als ob wir unseren Freund irgendwo auf der Straße finden wollen, schließlich werfen uns Kontrolleure aus dem Trolleybus, und wir gehen zu Fuß weiter, überqueren den Platz, gehen, betrachten die Plakate, betrachten die Reklame, sonst gibt’s nichts zu betrachten, Dog schleppt einen Rucksack mit Alk, bei einer Bäckerei ein Haufen fertiger Hippies, sind wie Ratten an die frische Luft gekrochen, stehen und trinken, daneben irgendwelche bekannten Gesichter, da steht Sascha Tschernezkyj, noch jemand in Lederkluft mit Orden und Medaillen, Sascha kennen wir, Dog und ich sind vor ein paar Wochen sogar auf sein Konzert ins Kulturhaus am Stadion gegangen, die Bullen haben uns hopps genommen – irgendwer neben uns hat eine Feuerwerksrakete in den Saal geschossen, sie dachten, wir wären es gewesen, sind grad noch mal davongekommen, Sascha ist umgeben von einem Haufen fertiger Hippies, schöner Morgen eines schönen Tages.
     
    – Freaks gehören erschossen, – sagt Wasja.
    – Hat das Trotzki gesagt? – frage ich.
    – Wieso denn Trotzki. Guck doch – wie die da rumstehen, die Schweine.
    – Na und?
    – Ich mag das nicht, – sagt Wasja und geht schweigend weiter.
     
    Nach einer halben Stunde überqueren wir eine Brücke, finden den Fabrikzaun und klettern durch ein Loch aufs Gelände.
     
    12.30
    Bei Tschapaj waren wir schon öfter, er hat seine Werkstatt extra für Freunde markiert, denn dort stehen noch mehr dieser grauen Gebäude rum, schon seit der russischen Revolution 1905 halb verfallen. Auf Tschapajs Werkstattwand steht in Grün »Sozialismus«, dazu ein irgendwie rachitischer Stern, der an eine Qualle erinnert, wegen der Farbe, meine ich. Im Prinzip kennt sich Tschapaj, genau wie Wasja, in Dialektik aus, sie haben Respekt voreinander, es sind Dog und ich, die nicht dazugehören – ich mag Marx einfach nicht, und Dog ist grundsätzlich gegen den Alten, logisch.
     
    Tschapaj erkennt uns nicht gleich. Hi, – sagt er dann, – kommt rein, er läßt uns in sein Kabuff, streckt den Kopf raus, schaut sich aufmerksam um und macht die Tür hinter sich zu. Wir treten ein. Wie es sich für Proletarier gehört, scheißt Tschapaj auf Komfort, sein Zimmer ist fast leer, in der Mitte steht der von mir schon erwähnte Apparat und summt aufgeregt, unter dem Apparat liegen ein paar Kolben herum, endlich fällt mir wieder ein, wie sie aussehen, auf dem Fensterbrett Bücher, ich nehme eins – der fünfzehnte Band von irgendwas, was genau kann ich nicht erkennen, aber eindeutig kommunistisch, mit Stempel der Fabrikbibliothek, ein ernsthafter Kerl, dieser Tschapaj, ein paar Jahre älter als wir, schon über zwanzig, dazu noch mit Arbeitserfahrung – ganz schön scharf, er folgt uns ins Zimmer, setzt euch, – sagt er, im Zimmer gibt es ein paar Hocker, wie geht’s, – fragt er?

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