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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Zimmer mit seinem Vater, ein Zimmer der Helden der Produktion, die Pioniergruppen würden sie auf ihren Exkursionen besuchen, ihre manisch-depressiven Erinnerungen anhören und ihnen Tüten mit Orangen, Keksen und Haushaltsspiritus auf den Nachttischen zurücklassen. Die Vertreter starker Berufe müssen schön sterben, nur alle möglichen hergelaufenen verfuckten Intelligenzler ersticken im Dreck oder leiden an Hämorrhoiden, richtige Männer aber, die legen ihre Hände, ja an was denn, an die Schalthebel des Lebens – solche Männer müssen sich in der Produktion aufreiben, auf den heißen Böden der Gießereien fallen, das eigene Arbeitsleben jäh abbrechen, an Delirium tremens und Alkoholvergiftung zugrunde gehen, durch einen Arbeitsunfall eben, wenn man Delirium tremens einen Arbeitsunfall nennen kann.
    Warum ich das alles erzähle? Der Direktor nahm ihn ins Arbeitskollektiv auf, sie korrigierten seine Papiere, denn Tschapaj hatte die Schule nicht abgeschlossen und auch nicht vor, es zu tun, der Direktor gab ihm einfach Arbeit und Schluß. Ließ ihn in einer der Werkstätten wohnen, in einem Kabuff, auf ölverschmierten Overalls, und sagte, er brauche sich keine Sorgen zu machen. Ihr Direktor gehörte auch zu einer Art Dynastie, wenn man sich eine Dynastie roter Direktoren vorstellen kann, warum eigentlich nicht. Die Fabrik verlor damals ihre Position auf dem Markt für Bergbau-Accessoires oder wie man es nennen soll, also eigentlich gab es so einen Markt gar nicht, sie galten als das einzige spezialisierte Unternehmen der Republik, die Fabrik zerfiel wie alles im Land, was zu stehlen war, stahl der Direktor, was nicht – machte er kaputt, sagen wir, er hielt sich an die Instruktionen zur Zivilverteidigung, in Erwartung eines heimtückischen, wenn auch unsichtbaren Feindes sprengte er vorsorglich Werkbänke, Wasserleitungen und den Funkraum, nicht im wörtlichen Sinne natürlich, manches funktionierte noch, ein paar Werkstätten und der Fuhrpark, aber der frühere Enthusiasmus war verschwunden, und die Arbeiter verloren sich in den privaten Sektor. Nur Tschapaj und der Direktor blieben. Mit der Zeit wurde der Direktor zugänglicher und beschloß, sein exklusives Baby zumindest teilweise wiederzubeleben, offensichtlich kamen nachts die Gespenster der verstorbenen roten Direktoren angeflogen und wedelten vor seinen Augen mit Grubenlampen hin und her, ließen den Alten nicht schlafen, also begann er wieder, Geschäfte zu machen, fand Investoren, es wurde wieder etwas produziert, und obwohl der Großteil des Fabrikgeländes nach wie vor in Schutt und Scheiße lag, herrschte der allgemeine Eindruck, daß die Fabrik in Betrieb war. Im Grunde erzähle ich das alles nur, weil Tschapaj auch weiter in seiner Werkstatt wohnte, er hatte sich zwei Zimmerchen erobert, arbeitete als Autoschlosser, meistens schwarz, der Direktor schätzte ihn sogar, als Spezialisten, meine ich. Da er mehr als genug Zeit hatte, freundete sich Tschapaj mit den städtischen Punks an und betrieb eine eigene Schnapsdestille, die er nach einem Bauplan selbst gebastelt hatte, aus irgendwelchem Rüstungsschrott, den er sich in den Fabrikhallen und Werkstätten zusammensuchte, sogar ein Qualitätszeichen hatte er angeschraubt, und an dieser Teufelsmaschine glänzten Nickel, Kupfer und geheimes, für die Luftfahrt bestimmtes Duralumin, der Direktor hatte nichts dagegen, von mir aus, sagte er, laßt ihn basteln, wenn er Technik liebt, er verstand vielleicht nicht richtig, was da durch Tschapajs Kolben lief, aber der Glanz der Nickelröhren beruhigte ihn, um so mehr, als Tschapaj den Strom selbst bezahlte, Hauptsache richtig kalkulieren, Gewerkschaften, Gewinnspanne, staatliche Subventionen, hab diesen Scheißkram nie verstanden. Warum ich das alles erzähle – irgendwie hat Sascha Zündkerze ihn kennengelernt, über die Punks, die bei Tschapaj ihre Ration Schnaps kauften, Sascha war kein Punk, mochte Punks überhaupt nicht, er mochte Technik, das habe ich, glaube ich, schon erwähnt, aber irgendwie kam es dazu – jemand hat Leute miteinander bekannt gemacht, einer hatte eine Kusine, jemand hat’s mit jemandem getrieben und jemandem haben sie dafür zwei Rippen gebrochen, irgendwie haben sie sich also kennengelernt – Sascha und Tschapaj, und Sascha kam manchmal zu Tschapaj in die Werkstatt, betrachtete die glänzenden und angelaufenen Röhren der Kühlschlange, vertiefte sich zusammen mit Tschapaj in Arbeitsanweisungen für die Werkbänke, trank aus

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