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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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die Hand gedrückt, Jurik versuchte sie loszuwerden, aber natürlich wollte sie keiner haben, mit einem Wort, der Lebenskreis schloß sich, und Jurik blieb nichts anderes übrig, als in sein mittelalterliches Viertel zurückzukehren, zu weißen Ziegelsteinen und straffer Hierarchie. Komisch, aber Jurik wurde dort als verlorener Sohn aufgenommen, die Roma sind ein aufgeschlossenes Volk, polierten ihm noch einmal die Fresse und vergaben ihm dann, dabei nahmen sie ihm seine abenteuerlichen Aktien ab und verschacherten sie an irgendwelche Bauerndeppen, ohne den Gewinn mit Jurik zu teilen, aber das ist allein ihre Sache, sie werden schon gewußt haben, warum. Jurik zog in eines der Ziegelsteinhäuser hinter weißer Ziegelsteinmauer, ließ sich im Zentrum nicht mehr blicken, wollte sogar heiraten, fand aber keine Frau – offensichtlich verboten die mittelalterlichen Gesetze es ihnen, einen Kommunisten zu heiraten, wenigstens verbrannten sie ihn nicht auf dem Scheiterhaufen, allmählich integrierte er sich, verkaufte erst am Kiosk Kaugummi, dann Wodka in einem Geschäft, verbesserte sich weiter, stieg auf Shit um und saß jetzt einfach nur noch daheim – wer ihm gefiel, dem verkaufte er sein Heilkraut, wer nicht, den ließ er abblitzen, feuerte hinter der Ziegelsteinmauer hervor aus seiner Flinte, zog die Brücke hoch und flutete den Wassergraben, Tschapaj kannte er noch vom Klub her, Tschapaj war sein Stammkunde, obwohl der uns eindeutig etwas verheimlichte, so kam es mir zumindest vor.
     
    15.15
    Nach ungefähr fünf Minuten quietscht das Tor, und der Kopf des Dealers erscheint. Jurik sieht nicht aus wie ein Roma, jedenfalls habe ich mir einen Roma immer anders vorgestellt, also natürlich hab ich keinen Typen in rotem Ringelhemd und mit Sperrholzgitarre erwartet, aber ein bißchen was hat man uns in der Schule doch über die Roma erzählt, hier aber erscheint ein magerer Albino im grauen, abgetragenen Anzug, Weißer Star auf dem linken Auge, er fixiert uns mißtrauisch, flüstert mit Tschapaj, sie schauen sich an, beschnüffeln sich, endlich winkt uns der Dealer, und wir folgen ihm. Bin gespannt, was sich hinter den Schießscharten verbirgt – Kanonen, Hellebarden, Folterinstrumente, ist aber alles unspektakulär, im Hof ein kleiner Schuppen aus weißem Ziegelstein, am Eingang eine Hundehütte, auch aus weißem Ziegelstein, in der Hütte Hühner, eins ist aufs Dach geklettert und steht da, – ach, Hühner, – denke ich, mehr eigentlich nicht, und wir gehen ins Haus. Im Zimmer ein Tisch, nichts weiter. Die Wände leer, bis auf einen teuren Teppich, die Ecken angenagelt, man sieht die Nägel gut, kein Problem, es sind gute Nägel, klar. Jurik sagt, wir sollen hier warten, blitzt mit seinem Weißen Star und geht ins Nebenzimmer, Tschapaj wird irgendwie nervös, macht uns aber Zeichen, daß alles okay ist, gleich kriegen wir’s, ich betrachte die Nägel im Teppich und sehe, auf dem Fensterbrett liegt ein großer Fisch, keine Ahnung was für einer, konnte sie nie unterscheiden, Fische und Frösche und so was, das Fenster ist auf, um den Fisch fliegen ein paar Bienen, ziehen träge ihre Kreise, wo die nur herkommen bei diesem Wetter, schläfrig und absolut nicht aggressiv, wird schon in Ordnung sein. Sie landen auf dem Fischkörper, krabbeln darauf herum, ich gehe näher ran, versuche, den Verstorbenen umzudrehen, aber meine Hand zuckt zurück – der Fisch ist innen einfach ausgefressen von diesen Räubern, ein ganzer Bienenschwarm sitzt dort, als ich den Fisch berühre, fliegen sie heraus und kreisen über dem Rumpf, beruhigen sich aber schnell und krabbeln wieder herein, wie widerlich, denke ich, ein toter Fisch, ein toter Zigeuner-Fisch, innen ausgefressen, grauenhaft.
    Jurik kommt mit einem Päckchen Shit zurück, sieht mich bei dem Fisch stehen und schaut auch fasziniert hin, die Bienen krabbeln, und das hat etwas so Gruseliges, daß wir alle hinschauen und den Blick nicht abwenden können von diesem verdammten Fisch – ich, Wasja, Tschapaj, Jurik, und sogar Jesus am Kruzifix, der unter Juriks Hemd hervorschaut, sieht aufmerksam auf den von den Bienen ausgefressenen Zigeuner-Fisch und kann sich nicht mal wegdrehen. Endlich legt Jurik das Päckchen auf den Tisch, und wir fangen an, daran zu schnüffeln, herumzutasten und es gegen das Licht zu halten, zeigen also durch unser ganzes Verhalten, daß wir wissen, wie guter Shit aussieht und daß wir uns nicht neppen lassen, auch wenn du dreimal ein Roma und außerdem

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